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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Heike Karbstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0187
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Antrittsrede von Heike Karbstein

Sinn hatten, als sich einen Platz neben uns wenigen Frauen zu ergattern und uns
plump anzubaggern. Auch musste ich einen weiteren Schritt gehen: Zuhause
ausziehen, und zwar ohne die Unterstützung meiner Eltern. Ich nahm mehre-
re Hiwi-Jobs zur Finanzierung an. Neben Tutorien in Mathe und Mess- und
Regeltechnik erwischte ich einen praktischen Job am Institut für Lebensmittel-
verfahrenstechnik. Plötzlich begann das Studium Spaß zu machen: Ich durfte
Mikroorganismen in Rührwerkskugelmühlen aufschließen. In einem Team mit
anderen Studierenden und Laboranten praktisch arbeiten. Als treuer Hiwi lernte
ich alle Forschungsgebiete des Instituts kennen. Sie begeisterten mich so, dass
ich meine Seminar- und Diplomarbeit aus diesen Themen wählte. Die Qual der
Wahl begann nach dem Studium: Sollte ich das Jobangebot des Fachinforma-
tionszentrums Technik annehmen, an dem ich die letzten beiden Jahre neben
dem Studium beim Betrieb und der Vermarktung von Datenbanken mitgearbei-
tet hatte? Oder das interessante Angebot von Nestle, mit denen ich über meine
Diplomarbeit Kontakt hatte? Oder sollte ich dem Drängen meines Professors
nachgeben, bei ihm zu promovieren? Er gewann, da er mir freie Hand bei der
Themenwahl ließ. Und mir das Gefühl vermittelte, voll an mich zu glauben
und mich unterstützen zu wollen. Was er auch bis heute stets eingehalten hat -
herzlichen Dank an Helmar Schubert, meinen wissenschaftlichen Mentor und
Wegbegleiter auch heute noch!
So wurde ich Helmars erste Doktorandin und weibliche Exotin in der Fakul-
tät. Thematisch widmete ich mich den Emulsionen - der Faszination, aus Flüssig-
keiten cremige Texturen erzeugen zu können und der Chance, dazu Anlagen im
Technikumsmaßstab betreiben zu können. Und da ich davon nicht so viele hatte,
wie ich gerne wollte, begeisterte ich Anlagenbauer von meinen Fragestellungen,
so dass sie mir die benötigte Ausstattung umsonst - bzw. gegen Vorträge bei Ihnen
- zur Verfügung stellten. Da half auch, dass die immer männlichen Industriever-
treter fast alles dafür taten, dass ich zum Vortrag wiederkam. Ich hatte inzwischen
gelernt, dass ich genug Nachteile als Frau in einer Männerwelt mitnehmen muss-
te und daher meine Vorteile ruhig auch nutzen dürfte. Den Rat gebe ich heute
noch an meine weiblichen Studierenden und Promovierenden weiter.
Wissenschaftlich war ich fasziniert davon, physikalische Mechanismen hinter
ungewöhnlichen Ergebnissen zu erforschen. Der Ingenieur in mir möchte deren
Anwendungsmöglichkeiten im industriellen Alltag zeigen. So fragte ich mich, war-
um Milch nur mit einem Hochdruckhomogenisator, Mayonnaise dagegen nur mit
einem sogenannten Stephan-Mischer hergestellt werden kann. Warum werden die
Tropfen in der cremigen Mayo schon beim Mischen klein genug, während man
für flüssige Milch dazu einen Druck von mehreren hundert bar braucht? Und wa-
rum kann man die Tropfen in der Mayo nicht noch kleiner machen? Dann könnte
man Fett einsparen, ohne Cremigkeit zu verlieren. Ich erforschte also die Mecha-
nismen der Tropfenzerkleinerung und -Stabilisierung. Für die Anwendung leitete

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