Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2020
DOI Kapitel:
I. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Schmalian, Jörg: Hydrodynamische Elektronik: Gesamtsitzung am 24. Oktober 2020
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0050
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Wissenschaftliche Vorträge

Frühe Beispiele für anspruchsvolle Bewässerungssysteme in Mesopotamien stam-
men aus dem 6. Jahrtausend vor Christus. Die Hydraulik, also die Lehre vom Strö-
mungsverhalten des Wassers, ist einer der ältesten Zweige der Wissenschaft und
Technik.
Das theoretische Fundament der Hydrologie und Hydraulik ist die Strö-
mungsmechanik. Dabei geht die erste aufgezeichnete Abhandlung der Strömungs-
mechanik auf Archimedes von Syrakus zurück, der den Auftrieb studiert und etwa
250 v. Chr. das Gesetz formuliert hat, das heute als das Archimedische Prinzip be-
kannt ist. Jahrhunderte nach Archimedes blühte die Wissenschaft in der Renais-
sance in Europa. Die Erfindung des Quecksilber-Barometers durch Torricelli im
Jahre 1643 ist ein wichtiger Meilenstein unserer modernen Gesellschaft. Moderne
Barometer, die in der Medizin, der Meteorologie oder der Luftfahrt Anwendung
finden, prägen bis heute unser Leben.
Im Verlauf von ca. zweihundert Jahren nach Torricelli wurde die Strömungs-
mechanik von den brillantesten Köpfen der Wissenschaftsgeschichte formuliert,
darunter Newton, Euler, Bernoulli, Poisson, Pascal und Lagrange. Diese Entwick-
lung erreichte mit der Formulierung der Navier-Stokes-Gleichungen in der Mit-
te des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Diese Gleichungen sind nach wie vor
Gegenstand intensiver Untersuchungen. So befindet sich die Analyse der Existenz
und Regularität von Lösungen dieser Gleichungen auf der Liste der sieben wich-
tigsten offenen Probleme der Mathematik, die vom Clay Mathematics Institute in
Cambridge Massachusetts formuliert worden sind. Das Institut hat für die Lösung
ein Preisgeld von je einer Million US-Dollar ausgelobt.
Jenseits des ursprünglichen Ziels, die Strömung von Wasser in Flüssen und
Kanälen zu verstehen, werden die Navier-Stokes-Gleichungen derzeit dazu
verwendet, den Blutfluss in Adern zu beschreiben, die Meeresströmungen der
Ozeane zu verstehen, die Luftströmung um Autos und Flugzeugtragflächen dar-
zustellen oder aber zur quantitativen Analyse der Ausbreitung von Umweltver-
schmutzungen. Selbst die Simulation von Luft- oder Flüssigkeitsbewegungen in
Videospielen geht auf die Lösung dieser Gleichungen zurück. In Kombination
mit den Maxwell-Gleichungen werden sie auf dem Gebiet der Magnetohydrody-
namik eingesetzt, um Plasmen, flüssige Metalle und Elektrolyte zu verstehen. Es
gibt Anwendungen in der Geophysik, der Astrophysik, dem Ingenieurwesen und
der Krebsforschung.
Hydrodynamische Experimente in Festkörpern. Im Verlauf der letzten
Jahre gab es eine Reihe von fantastischen experimentellen Untersuchungen, in de-
nen hydrodynamische Elektronik beobachtet werden konnte [1 — 7, 23, 24], Dabei
handelt es sich um ultrareine Materialien wie PdCoO2 oder WP2, bei denen die
Probengeometrie durch elegante Mikrostrukturierung maßgeschneidert werden
konnte, sowie um Graphen von besonders hoher Qualität auf hexagonalem Bor-
nitrid.

50
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften