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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2022
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
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Tertilt, Michele: Katalysator oder Karrierebremse – Wie verändert sich die Arbeitswelt von Frauen durch die Coronakrise?
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https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0059
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Michele Tertilt

was in der Literatur den Begriff „Mancession“ hat aufkommen lassen (Johnson
2009), den man vielleicht am besten mit „Männerkrise“ übersetzen kann; im Ge-
gensatz zur „Shecession“, der „Frauenkrise“.
2. Warum in der Pandemie vieles anders ist
Die Pandemie hat insbesondere 2020 zu einem starken Einbruch der Wirtschafts-
leistung geführt. Man könnte zunächst erwarten, dass wiederum vor allem Männer
ihre Jobs verloren hätten. Jedoch ist die Pandemie keine normale Wirtschaftskrise.
Zwei wichtige Unterschiede sind hier zu nennen. Zum einen sind größtenteils
andere Sektoren betroffen. Während eine typische Rezession vor allem das Bau-
und Fertigungsgewerbe trifft, sind in der Pandemie insbesondere der Tourismus
und kontaktintensive Beschäftigungen wie in Friseursalons, Gaststätten und bei
Anbietern körpernaher Dienstleistungen betroffen. All diese Sektoren haben ei-
nen hohen Anteil weiblicher Beschäftigte (Mongey et al. 2020 und Albanesi et al.
2020). Zum anderen waren zu Beginn der Pandemie auf der ganzen Welt die Schu-
len weitgehend geschlossen. Im Frühjahr 2020 sind daher mehr als 1,5 Milliarden
Kinder nicht in der Schule gewesen. Das sind fast 90 Prozent aller Schulkinder
(Unesco 2021). Schulschließungen führen nicht nur zu Lernverlusten bei Kin-
dern2, sondern stellen auch Eltern vor große Herausforderungen, denn Kinder,
die nicht zur Schule gehen können, müssen zu Hause betreut werden. Diese Be-
treuung haben zu großen Teilen Mütter übernommen (Adams-Prassl et al. 2020).
Das liegt zum einen daran, dass auch in normalen Zeiten Mütter mehr als die
Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, selbst wenn beide Elternteile Vollzeit
arbeiten (Alon et al. 2020a). Zum anderen gibt es viele alleinerziehende Mütter.
In Deutschland sind es fast 1,4 Millionen. Man würde daher erwarten, dass die
zusätzlich erforderliche Kinderbetreuung das Arbeitsangebot insbesondere von
Müttern drückt.
3. Die Shecession von 2020
In der Tat war die Pandemie in den meisten Ländern eine Frauen-Wirtschaftskrise,
also eine „Shecession“. Abbildung 3(a) zeigt die relative Änderung der Erwerbs-
tätigkeit von Frauen und Männern zwischen dem letzten Quartal 2019 und dem
zweiten Quartal 2020. Sie war in fast allen betrachteten Ländern negativ, das heißt,
fast überall haben mehr Frauen als Männer ihre Jobs verloren. Für die Reduzierung
der relativen Arbeitsstunden in Abbildung 3(b) ergibt sich ein ähnliches Bild.

2 Eine wachsende Literatur deutet daraufhin, dass die Bildungsverluste insbesondere für Kin-
der aus ärmeren Familien besonders groß waren und dass es langfristig zu einem Anstieg von
Ungleichheit kommen wird (Agostinelli et al. 2020, Fuchs-Schündeln et al. 2020 sowie Wer-
ner und Woessmann 2021).

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