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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2022 — 2023

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2022
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Wernsdorfer, Wolfgang: Quantencomputer in der Gegenwart: der aktuelle Stand der Forschung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67410#0078
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II. Wissenschaftliche Vorträge

laren magnetischen Zustände mit der Außenwelt weiter zu reduzieren, werden
diese in mehreren Schritten entkoppelt. Die eigentlichen Qubits werden von den
Kernspins in einem zentralen magnetischen Atom des Moleküls gebildet. Diese
werden indirekt über zwei Elektronenspins ausgelesen. Man kann sich dies wie
verschachtelte Matroschka-Puppen vorstellen, bei denen die innerste Puppe durch
die anderen vor der Umgebung geschützt ist. Dadurch sind diese magnetischen
Qubits sehr langlebig und können über einige Minuten am Leben erhalten blei-
ben. Das ist derzeit im Vergleich zu anderen Qubits ein stolzes Alter.
Qubits auf Basis von einzelnen Molekülen bieten noch einige weitere Vorteile
zu anderen etablierten Systemen. Dies ist zum einen ihre Größe, die mit ungefähr
einem Quadratnanometer pro Qubit deutlich kleiner ist als zum Beispiel Qubits
auf Basis von supraleitenden Schaltkreisen. Zum anderen können in einem Kern-
spin oft sogar mehr als zwei Zustände genutzt werden. Bis jetzt konnten in ei-
nem Molekül bis zu vier Spinzustände kontrolliert werden. Dies scheint nicht viel
mehr zu sein als die üblichen zwei, wächst jedoch exponentiell schneller an, wenn
mehrere dieser höherdimensionalen Qubits verschränkt werden.
Prinzipiell ist die Skalierung molekularer Spin-Qubits kein Problem. Unsere
Kollegen aus der Chemie sind hier schon sehr weit und können noch viel größe-
re Qubit-Systeme herstellen und diese auf spezielle Bedürfnisse maßschneidern.
Das Problem ist hingegen, dass die Quantenprozessoren so klein sind, dass es ei-
ne große Herausforderung ist, mehrere Spins einzeln zu steuern und auszulesen.
Um dies zu erreichen, wird eine ganze Reihe an Methoden mit den molekularen
Quantenprozessoren kombiniert, inklusive anderer Qubit-Systeme. In diesem
Hybridsystem können die einzelnen magnetischen Moleküle mit anderen Qubit-
Systemen gekoppelt und ausgelesen werden.
Dies sind beispielsweise die erwähnten supraleitenden Qubits, aber auch ato-
mare Störstellen in Diamant, die es unter anderem erlauben, optisch, das heißt
mit einem Laser, ausgelesen zu werden. Einerseits kann diese Hybridkopplung
als Verstärker verwendet werden, um die Spinzustände des Moleküls effizient zu
bestimmen und so ihre Wechselwirkung mit der Umgebung zu minimieren. An-
dererseits können unterschiedliche Qubit-Arten miteinander verschränkt werden,
um neue Effekte zu untersuchen, die den Hybridsystemen eigen sind. Dabei wer-
den Rastertunnelmikroskope eingesetzt, um die Moleküle direkt abzubilden und
gleichzeitig seine Qubit-Eigenschaften zu beeinflussen. Diese erlauben es, Mo-
leküle und Atome mit einer atomar scharfen Metallspitze direkt zu „sehen“ und
gleichzeitig ihre Quantenzustände zu verändern.
Ganz gleich, welches Qubit-System bei der Entwicklung eines funktions-
tüchtigen Quantencomputers am Ende das Rennen machen wird, es wird bis
dahin noch eine Weile dauern. In der Zwischenzeit werden uns umgesetzte Quan-
tentechnologien im Alltag wahrscheinlich schon auf anderen Gebieten begegnen,
zum Beispiel bei neuen, empfindlicheren Sensoren oder Quantenuhren. Sicher

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