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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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I. Jahresfeier am 24. Juni 2023

sollte zu 70 % aus Solaranlagen und zu 30 % aus Windkraftanlagen stammen. Platt
stellt also fest, dass gegenüber heute gut das 10-fache an Fotovoltaik-Nennleistung
und gut das 5-fache an Windenergie-Nennleistung vorzusehen sei. Das seien zwar
immense Steigerungen, jedoch hinsichtlich Flächenbedarf nicht vollkommen uto-
pische Werte. Die Investitionskosten lägen bei etwa 300 Milliarden Euro. Eine an-
dere Quelle, das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), kommt auf
Mehrkosten von 1100 Milliarden Euro.9 Eine von acatech, Leopoldina und Aka-
demienunion durchgeführte Studie kommt auf gesamt-systemische Mehrkosten
zwischen 1000 und 3000 Milliarden Euro.10 Diese Summen machten 1 bis 2 % des
Brutto-Inlandsproduktes des Jahres 2016 aus, wenn sie auf die kommenden Jahr-
zehnte bis 2050 verteilt würden. Diese Mehrkosten würden zwar astronomisch
erscheinen, seien in ihrer Größenordnung jedoch mit anderen gesellschaftlichen
Großprojekten, zum Beispiel der Wiedervereinigung, vergleichbar. Alle drei Studi-
en geben an, dass die Stromgestehungskosten nach erfolgter Umstellung mit den
heutigen Kosten vergleichbar sein würden.
Um die CO^-Einsparziele zu erreichen, sind unvermeidliche prozessbedingte
CQ-Emissionen durch sogenannte Negative-Emission-Technologies und Einla-
gerung in geologischen Formationen zu kompensieren. Wie unser Akademiemit-
glied, der Geophysiker Friedemann Wenzel, neulich ausführte, sind Technologien
zur Speicherung großer Mengen an CO7 im Untergrund vorhanden und tech-
nologisch ausgereift.11 Das Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC,
betont sogar, dass zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles die massive Anwendung
von Negative-Emission-Technologies notwendig sei.12
Das sind also gute Nachrichten, denn die Transformation zur autarken Treib-
hausgas-Neutralität scheint für Deutschland prinzipiell möglich! Offen bleibt
allerdings, ob alle technische Komponenten und deren Verschaltung zum Gesamt-
system, ob genügend finanzielle Ressourcen, ob genügend Rohstoffe, ob genü-
gend Fachkräfte und ob genügend gesellschaftlicher Konsens für diese disruptive
Transformation im vorgesehenen Zeitraum bereitstehen werden.
Globaler Energiemarkt
Andere Studien als die oben zitierten zeigen allerdings, dass es aus verschiede-
nen Gründen nicht zu einer vollständigen nationalen Energie-Autarkie kommen
wird.1314 Sie wäre auch für die Bekämpfung der Klimakrise nicht hilfreich, denn
die Verbrennung fossiler Energieträger muss nicht nur national, sondern weltweit
beendet werden.
Der globale Handel mit fossilen Energieträgern lässt sich qualitativ gut mittels
der in Abbildung 4 wiedergegebenen Karte studieren.15 Die Karte zeigt Schiffe auf
den Meeren des Nahen Ostens am 21.06.2023. Alle rot markierten Schiffe sind
Tanker, die zumeist fossile Energieträger wie Erdöl oder das bei uns jetzt auch

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