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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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II. Wissenschaftliche Vorträge

den griechischen Gelehrten Chiysolaras versammelte sich die Stadtakademie des
„Chorus Accademiae" und nicht zuletzt die von dem Stadtherren Piero Medici ge-
förderte platonische Akademie Marsilio Ficinos, die sich der Erforschung, Über-
setzung und Kommentierung der Werke Platons widmete und die intellektuelle
Elite von Florenz anzog. Mit den drei Akademien von Florenz begann eine Form
der wissenschaftlichen Geselligkeit, die sich von der scholastisch geprägten Form
der Universität wesentlich unterschied.
Die im 16. Jahrhundert sich überall in Italien verbreitenden Akademien ste-
hen wesentlich im Dienst der „questione della lingua", der Bemühung um ei-
ne italienische Nationalsprache auf der Grundlage besonders der Dichtung von
Dante, Boccaccio und Petrarca. So wird 1540 in Florenz die Accademia fiorentina
gegründet, die sich vorwiegend der florentinischen Sprache widmet. Daraus ent-
stand 1589 die Florentiner Accademia della Crusca, die 1612 das erste große itali-
enische Wörterbuch, das Vocabolario degli Academici della Crusca herausbrachte. Ein
gänzlicher Neubeginn dagegen ist die 1603 in Rom von dem erst achtzehnjährigen
Federico Cesi gegründete naturwissenschaftliche Accademia dei Lincei.
Bereits im 17. Jahrhundert breitete die Idee der Akademie sich in ganz Europa
aus. Aus italienischem Geist ist die 1635 gegründete Academie frangaise, wie die
Accademia della Crusca in erster Linie eine Sprachakademie, die der Erarbeitung
einer französischen Nationalsprache und eines Corpus exemplarischer Literatur-
werke dienen sollte. Es folgte in Paris eine ganze Reihe von einander unabhängiger
Akademien. Ein wesentlicher Neubeginn ist schließlich die von Leibniz inspirierte
1700 gegründete Preußische Akademie der Wissenschaften, die erstmals in Klassen
gegliedert war. Diese Leibnizsche Konzeption wurde von Condorcet in seinem
revolutionären Projekt einer Neuorganisation des französischen Bildungswesens
übernommen, das die Pariser Akademien in drei Klassen, vermehrt um die neue
Klasse der „Sciences morale et politique" überführte. Daraus entstand das bis heu-
te bestehende „Institut de France". Es ist Wilhelm von Humboldt, der nach dem
Vorbild von Condorcet das Preußische Bildungssystem neu organisiert. Seine Idee
der Akademie als einer freien, dialogischen, höchsten Institution des Wissens fasst
eine lange Tradition der Akademien zusammen, wie sie sich bei allen Wandlungen
erhalten hat. Für ihn muss „die Idee einer Akademie als die höchste und letzte
Freistatt der Wissenschaft und die vom Staat am meiste unabhängige Corporation
festgehalten werden." Humboldt benennt damit eine Idee der Akademie, die sich
dem alten Athen verdankt, die in Florenz wiedergeboren wurde und die bis heute
ihre Geltung nicht verloren hat.

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