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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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II. Wissenschaftliche Vorträge

Inschrift eine vorher noch nicht beachtete Passage gezeigt, aus der hervorgeht, dass
der Abt bereits 955, also zehn Jahre früher, und fünf Jahre vor Beginn der Song
Dynastie im Kloster tätig war (Abb. 3). Das erlaubt es, die Restaurierung des Klos-
ters in einem neuen politischen Zusammenhang zu sehen.
Die Paratexte ermöglichen es so, die Geschichte des fantastischen Projektes
im Detail nachzuverfolgen und zu verstehen. Sie werden zwei weitere Bände in
unserer Serie füllen.
Jörn Leonhard
„Wie Kriege enden: Historische Perspektiven"
Gesamtsitzung am 25. November 2023
Auf den ersten Blick scheint es viel leichter, den Beginn gewaltsamer Konflikte zu
definieren als ihr Ende: den Prager Fenstersturz im Mai 1618 als Beginn des Drei-
ßigjährigen Krieges, das Attentat von Sarajewo im Juni 1914, oder den Einmarsch
russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022. Mit dem Ende von Krie-
gen tun wir uns viel schwerer. Die meisten historischen Wege in den Frieden wa-
ren verschlungen, immer wieder verzögert und unterbrochen. Je länger ein Krieg
dauerte, je mehr Opfer er über Monate und Jahre anhäufte, desto unübersichtli-
cher und widersprüchlicher verlief der Weg in den Frieden.
Wann ein Krieg wirklich endet, ist eine der kompliziertesten Fragen überhaupt:
mit einer ersten Waffenruhe, einem stabilen Waffenstillstand, einer internationalen
Friedenskonferenz, einem von allen Beteiligten unterzeichneten Friedensvertrag?
Mit der aus Verlust, Opfer und Trauer gewonnenen Einsicht in die gegenseitige
Erschöpfung, aus der eine rationale Einsicht in die Notwendigkeit des Friedens
und ein Fenster für die Diplomatie entstehen? Mit einem vielleicht erst nach Jah-
ren wieder belastbaren Vertrauen und einer verlässlichen Kommunikation zwi-
schen ehemaligen Gegnern? Gar mit einer Aussöhnung zwischen Individuen, der
Anerkennung von Opfern und Verbrechen zwischen ganzen Gesellschaften?
Der Westfälischen Friede von 1648 bestand aus einer Reihe von Verträgen,
die für die verschiedenen europäischen Kriegsparteien in Münster und Osnabrück
unterzeichnet wurden und dem ein über fünf Jahre tagender Friedenskongress
vorausgegangen war. Selbst nach diesen diplomatischen Anstrengungen hätte
der Krieg noch lange nach seinem formalen Ende jederzeit wieder neu beginnen
können. Im Gegensatz zu den zwischen 1792 und 1815 fast ununterbrochenen
Kriegen der Französischen Revolution und Napoleons handelte es sich bei den
Konflikten um die Schaffung des italienischen und des deutschen Nationalstaats
1859/61 und 1870/71 um relativ kurze Kriege mit politisch definierten Ausgängen.
Aber dieses Ideal wurde schon in den 1860er Jahren brüchig, als das Ende des

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