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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Weinfurter, Stefan: Innovation durch „Sezession“ – Zur Einführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0014
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Innovation durch »Sezession« – Zur Einführung | 13
Mönche oder Regularkanoniker so miteinander zu verschmelzen, dass das Leben
selbst die Regel wurde. Vita et regula heißt es jetzt in den Texten, ²⁶ beide sind fortan
miteinander untrennbar verbunden. In den Quellen ist die Rede von einem novum
genus vitae, einer »neuen Art zu leben«, so etwa in der Vita des Norbert von Xanten.
²⁷ Christus selbst wurde nun die Regel und das Vorbild war die apostolische
Lebensweise, die das Evangelium selbst vermittelt.
Bei den Franziskanern entwickelte sich dieses Modell zu höchster Vollendung. ²⁸
Dies hatte zur Folge, dass die Minderbrüder in Nachfolge des armen Christus auf
jegliches Eigentumsrecht verzichteten, dass sie aber den faktischen Gebrauch für
sich als Ausfluss des Naturrechts gelten ließen. Bei Bonagratia gibt es den berühmten
Vergleich mit dem Pferd, das ja auch den Hafer frisst, ohne dass es ein Eigentumsrecht
darauf habe. ²⁹ Dieser rechtsfreie Raum der Franziskaner war eine
sensationelle Neuerung und die Päpste versuchten im 14. Jahrhundert, dem entgegenzuwirken.
Noch prekärer für die Amtskirche war die Forderung der Waldenser, dass nicht
das Amt die Verwaltung der Sakramente gestatte, sondern die Würdigkeit. Nur
wer durch die Nachahmung des apostolischen Lebens herausrage, dürfe die wichtigste
hierarchische Position in der Kirche vertreten. Nicht das Amt verleihe Autorität,
sondern das Verdienst des Lebens, das meritum vitae. ³⁰ Dieses Ideal griff
weit um sich und man kann gewiss nicht sagen, dass die Bewegung der Waldenser
eine Randerscheinung gewesen sei. ³¹ Diese Beispiele machen deutlich, dass in der
dynamischen Epoche der Klöster vom 11. bis zum 13. Jahrhundert die monastischen
Lebensmodelle auch mit großer Wucht umgesetzt wurden und im Idealfall
zum Vorbild für die ganze Gesellschaft werden sollten. Und die »Gesellschaft« hat
darauf reagiert, vor allem die Amtsträger der Amtskirche. In Traktaten und anderen
26 Franz von Assisi, Regula non bullata, in: Fontes Franciscani, hg. von Enrico Menestò/Stefano Brufani
(Medioevo francescano. Testi 2), Assisi 1995, S. 185 –212, hier S. 185.
27 Leben des hl. Norbert, Erzbischofs von Magdeburg (Fassung A), in: Lebensbeschreibungen einiger
Bischöfe des 10.–12. Jahrhunderts, übers. von Hatto Kallfelz (Ausgewählte Quellen zur deutschen
Geschichte des Mittelalters 22), Darmstadt 1973, S. 443 –541, hier cap. 6, S. 462/464; Vita Norberti archiepiscopi
Magdeburgensis (A), hg. von Roger Wilmans, in: MGH Scriptores 12, Hannover 1856,
S. 663 –704, hier S. 675.
28 Thomas Ertl, Religion und Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum
(Arbeiten zur Kirchengeschichte 96), Berlin 2006.
29 Bongratia von Bergamo, Tractatus de Christi et apostolorum paupertate, hg. von Livario Oliger, in:
Archivum Franciscanum historicum 22, 1929, S. 511.
30 Alanus von Lille, De fide catholica contra haereticos, in: Patrologia Latina, hg. von Jacques-Paul Migne,
Bd. 210, Paris 1855, Sp. 305 – 430, hier Sp. 385.
31 Martin Schneider, Europäisches Waldensertum im 13. und 14. Jahrhundert. Gemeinschaftsform –
Frömmigkeit – sozialer Hintergrund (Arbeiten zur Kirchengeschichte 51), Berlin 1981; Paul R. Tarmann,
Der Armutsbegriff der Waldenser. Eine sozialphilosophische Annäherung, Frankfurt am Main
2010.
 
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