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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Breitenstein, Mirko: Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0052
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Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant | 51
Bekenntnis eigener Verfehlungen innerhalb der vita religiosa bereits geübte Praxis. ⁶⁵
Das allgemein verstärkte Interesse an entsprechenden Fragen drückte sich dabei
nicht allein in den neuen Beichtsummen aus, ⁶⁶ sondern fand einen Niederschlag
auch in der monastischen Traktatliteratur. Ein besonders eindrückliches Beispiel
hierfür ist De interiori domo in seiner langen Form, die auch bei Migne abgedruckt
ist. ⁶⁷ Hier sind gleich mehrere ursprünglich eigenständige Musterdialoge integriert,
die Gespräche entweder zwischen einem Beichtenden und seinem geistlichen Vater
oder aber Bekenntnisse vor Gott wiedergeben. ⁶⁸
Ohne Sünde könne der Mensch nicht durch sein Leben gehen, heißt es eindrücklich
im Traktat »Vom inneren Haus«. ⁶⁹ Der Zweck einer jeden menschlichen Verrichtung
werde durch eine Verkehrung der mit ihr eigentlich verbundenen Absicht
in sein Gegenteil pervertiert: Essen ohne Hunger, Trinken ohne Durst, Reden ohne
etwas zu sagen zu haben, das Richten der Sinne auf Nichtigkeiten, statt auf die Wahrheit
– der Mensch in seiner Gesamtheit präsentiert sich als fehlgeleitet. ⁷⁰ Es gäbe
keine Sünde, so bekennt der Mönch sowohl Gott als auch dem Beichtvater, mit der
er sich nicht befleckt hätte. ⁷¹ Die hier wie in anderen Texten gebotenen Kataloge der
Sünden und Laster sollen, so kann man vermuten, stets auch Anleitung geben, indem
sie den Mönch für die jeweiligen Vergehen sensibilisieren. Der Mönch sollte durch
Hintergrund eines unmittelbar vor Gott abgelegten Bekenntnisses vgl. Susan R. Kramer, The Priest
in the House of Conscience. Sins of Thought and the Twelfth-Century Schoolmen, in: Viator 37, 2006,
S. 149 –166.
65 Vgl. Isnard Wilhelm Frank, Artikel »Beichte II: Mittelalter«, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5,
Berlin 1980, S. 414 – 421, hier S. 418.
66 Pierre Michaud-Quantin, Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge (XII–XVI
siècles) (Analecta Mediaevalia Namurcensia 13), Louvain/Lille/Montreal 1962.
67 Zu den verschiedenen Redaktionen vgl. Breitenstein, Der Traktat »Vom inneren Haus« (wie Anm. 5),
S. 268.
68 Es handelt sich um folgende Abschnitte: cap. 16 –19, cap. 20 –22 und cap. 29 – 41. Der zuletzt genannte
Abschnitt ist als sogenannte Confessio Hugonis auch als eigener Text überliefert. Vgl. Barthélemy
Hauréau, Les oeuvres de Hugues de Saint-Victor. Essai critique, Paris 1886, S. 180 –182. Goy zählt
diesen Text zu den »wahrscheinlich echten Werken« Hugos, vgl. Rudolf Goy, Die Überlieferung der
Werke Hugos von St. Viktor. Ein Beitrag zur Kommunikationsgeschichte des Mittelalters (Monographien
zur Geschichte des Mittelalters 14), Stuttgart 1976, S. 482. Neben den bei Goy genannten Handschriften
ist zu verweisen auf: Avignon, Bibliothèque municipale, MS 229, fol. 86 –116 (vgl. Catalogue général,
Départements 27 [wie Anm. 4], S. 137); Dijon, Bibliothèque municipale, MS 582, fol. 124v–156v (vgl.
Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, Départements 5, Paris 1889, S.
149); Poitiers, Bibliothèque municipale, MS 74 (294), fol. 45 –55v (vgl. Catalogue général des manuscrits
des bibliothèques publiques de France, Départements 25, Paris 1894, S. 23) sowie zwei Handschriften aus
Tours: Bibliothèque municipale de Tours, MS 396, fol. 68 –76v und MS 488, fol. 68 –76v (vgl. Catalogue
général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, Départements 37, Paris 1900, S. 310, 392).
69 Ita vitam istam sine culpa nunquam transire potui […] Tractatus de interiori domo (wie Anm. 5), cap. 17,
28, Sp. 522.
70 Vgl. Tractatus de interiori domo (wie Anm. 5), cap. 17, 28 –29, Sp. 522 f.
71 Nullum invenio peccatum, a quo non sim aliquo modo inquinatus. Tractatus de interiori domo (wie
Anm. 5), cap. 19, 33, Sp. 525. Nullum enim invenio vitium, a quo non traxerim aliquod contagium. Ebd.,
cap. 20, 37, Sp. 52.
 
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