Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Röckelein, Hedwig: Inklusion – Exklusion: weiblich - männlich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0140
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Inklusion – Exklusion: weiblich – männlich | 139
St. Agnes war als Doppelkloster dem benediktinischen Männerkonvent Allerheiligen
in Schaffhausen unterstellt. Beide gehörten zur Hirsauer Observanz und waren
von der Familie der Grafen von Nellenburg gegründet worden, der Frauenkonvent
um 1082. ⁵⁷
Die Lippoldsberger Urkunde liefert – wie bereits erwähnt – den ältesten Beleg
für den Begriff inclusio im monastischen Kontext. Die Nonnen bezeichnen sich als
inclusę. ⁵⁸ Dies ist insofern irritierend als beim Kloster zwei Inklusen im herkömmlichen
Sinn lebten. Sie treten bei der Beurkundung als Zeuginnen auf: Ego Bia et
Atelheit inclusę subscripsimus.
Die Urkunde disponiert – ähnlich einer Constitutio – die Vorschriften für den
Eintritt und das Verlassen des Konvents. Die Äbtissin darf den Konvent nicht verlassen,
außer wenn es wirklich notwendig ist und auch dann nur mit Erlaubnis
(laudo inclusionem solitam […], non egredi nisi pro maxima necessitate et hoc non
sine testimonio). Niemals darf ein Mann die Klausur betreten, auch nicht der Vater
der Äbtissin, außer in dringenden Fällen und dann nur in Begleitung des geistlichen
Vaters (numquam sinere infra predictam inclusionem intrare masculum nec
ipsum patrem absque magna necessitate et semper cum testimonio intrent et exeant,
numquam sine spirituali patre). Auch dieser darf die Klausur nur im Ausnahmefall
betreten, nämlich wenn er Kranke besucht oder Gäste einführt. Die Gäste
sollen sich im Kloster nicht hinsetzen, sondern nur durchlaufen und das claustrum
schnell wieder verlassen. Nur im Kapitelsaal dürfen sie sich hinsetzen und sprechen,
so lange es die Angelegenheit erfordert. Wenn eine Verhandlung von allgemeinem
Nutzen ist, dann darf sie außen, vor dem Fenster des Kapitelsaales (exterius ante
fenestram capituli) geführt werden. Was für die Ernährung der Nonnen notwendig
ist, soll durch das Küchenfenster gereicht werden (per fenestram coquinę inferatur).
ban Küsters, Formen und Modelle religiöser Frauengemeinschaften im Umkreis der Hirsauer Reform
des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Hirsau St. Peter und Paul 1091–1991, Bd. 2: Geschichte, Lebens- und
Verfassungsformen eines Reformklosters, bearb. von Klaus Schreiner (Forschungen und Berichte der
Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 10/2), Stuttgart 1991, S. 195 –220, hier S. 218.
57 Reinhard Frauenfelder, St. Agnes in Schaffhausen, in: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen
in der Schweiz (Helvetia Sacra Abt. 3/1.3), Bern 1986, Teil 3, S. 1941–1951; Elisabeth Schudel,
Allerheiligen in Schaffhausen, in: Ebd., S. 1490 –1535. Aus dem Kloster St. Agnes ist keine Stiftungsurkunde
erhalten. Über die Frühzeit des Konventes berichtet nur eine spätmittelalterliche, volkssprachliche
Gründungserzählung.
58 Bei Jan Frederik Niermeyer/Co van Kieft, Mediae Latinitatis lexicon minus, 2 Bde., Leiden 2002, Bd.
1, S. 522, wird der Lippoldsberger Nonneneid als einziger und frühester Beleg für inclusio angeführt!
Zu den zahlreichen Inklusen und Eremitinnen im Umfeld der Hirsauer Männerklöster und zu den Doppelklöstern
in der Hirsauer Observanz vgl. Küsters, Formen und Modelle (wie Anm. 56), und Hedwig
Röckelein, Frauen im Umkreis der benediktinischen Reformen des 10. bis 12. Jahrhunderts. Gorze,
Cluny, Hirsau, St. Blasien und Siegburg, in: Female ›vita religiosa‹ between Late Antiquity and the High
Middle Ages. Structures, developments and spatial contexts, hg. von Gert Melville/Anne Müller (Vita
regularis. Abhandlungen 47), Berlin 2011, S. 275 –327, zur Hirsauer Observanz bes. S. 292–296, Tabelle
S. 315 –318 und Karte S. 325.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften