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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Signori, Gabriela: Der „Mönch im Bild“: Das Porträt als klösterliches Erinnerungsmedium an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0168
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I
Der »Mönch im Bild« | 167
Das wohl berühmteste Mönchsporträt und gleichsam dasjenige, um das sich am
meisten Rätsel ranken, ist das Bildnis eines dem Kartäuserorden angehörigen, unbekannten
Laienbruders – das Porträt eines sogenannten frater barbatus, das sich
heute im Besitz des New Yorker Metropolitan Museum befindet (Abb. 2). Sicher ist
einzig, wer das Bild gemalt hat. Denn der Trompe-l’œil-Rahmen trägt die In- bzw.
Aufschrift: Petrus Christi me fecit anno 1446. ²⁵ Mit 29,2 cm Höhe und 20,3 cm Breite
ist das Bild in etwa so groß wie eine DIN A 4 Seite. Auf dem gemalten Rahmenteil
sitzt eine Fliege, die zwischen Rahmen und Darstellung irgendwie zu vermitteln
scheint. Die Fliege irritiert; ihr soll André Pigler zufolge apotropäische Kraft innewohnen.
²⁶ Aber wer, bitte, soll hier vor wem geschützt werden? ²⁷ Die Rahmeninschrift
erweckt den Eindruck, bei diesem Bild seien der Künstler und seine mimetischen
Fertigkeiten wichtiger als der zur Darstellung gebrachte Laienbruder. ²⁸
Wen das Bild porträtiert und zu welchem Zweck bzw. Anlass es angefertigt wurde,
wissen wir nicht. Ingrid Alexander-Skipnes meint, es handle sich um eine Spielart
des wahren Antlitz Christi. ²⁹ Christus wiederum könnte uns als Namensspiel zum
Künstler zurückführen. Weshalb aber trägt Christus bzw. Petrus Christus († 1473)
ausgerechnet das Gewand eines Laienbruders aus dem Kartäuserorden?
Die Fragen müssen allesamt offen bleiben. Die Inspirationsquelle des Porträts
dürfte jedoch in der Kartause Gnadental in Brügge zu suchen sein, für die Petrus
Christus auch anderweitig tätig war. ³⁰ Rund vier Jahre nach dem Porträt des Laien-
25 Metropolitan Museum of Art, Jules Bache Collection, 1949, vgl. Petrus Christus. Renaissance Master of
Bruges, hg. von Maryan Wynn Ainsworth/Maximiliaan Pieter Jan Martens, New York 1994, Nr. 5,
S. 92–95.
26 Zur Fliege vgl. André Pigler, La mouche peinte. Un talisman, in: Bulletin du musée hongrois des Beaux-
Arts 24, 1964, S. 47– 64.
27 Über die Lukian-Rezeption verbeitete sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein anderes, positives Bild der
Fliege, deren Darstellung in der antiken Kunst als besondere künsterliche Herausforderung vestanden
wurde, Margarethe Billerbeck/Christian Zubler, Das Lob der Fliege von Lukian bis L. B. Alberti.
Gattungsgeschichte. Texte, Übersetzungen und Kommentar (Sapheneia 5), Bern/Berlin/Brüssel u.a. 2000,
S. 54 f.
28 Die Kunstgeschichte sieht darin eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Porträts des Jan van
Eyck. Vgl. Joel Morgan Upton, Petrvs .xpi. me fecit: The Transformation of a Legacy, in: Petrus Christus
in Renaissance Bruges. An Interdisciplinary Approach, hg. von Maryan Wynn Ainsworth, Turnhout
1995, S. 53 – 63.
29 Ingrid Alexander-Skipnes, Northern Realism and Cartusian Devotion. Bergognone’s Christ Carrying
the Cross for the Certosa of Pavia, in: Cultural Exchange Between the Low Countries and Italy
(1400 –1600), hg. von ders., Turnhout 2007, S. 145 –159, hier S. 152, sowie John Oliver Hand, Salve
sancta facies: Some Thoughts on the Iconography of the ›Head of Christ‹ by Petrus Christus, in: Metropolitan
Museum Journal 27, 1992, S. 7–18. Zur Kartause vgl. Jean-Pierre Esther/Jan de Grauwe, Het
kartuizerklooster Genadedal in Brugge, in: Spiegel historiael 19, 1984, S. 294 –300.
30 Die engen Verbindungslinien zwischen Petrus Christus und der Kartause Gnadental aufgedeckt hat als
erster der Kartäuserforscher Hendrik Jan Joseph Scholtens, Petrus Cristus en zijn portret van een
 
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