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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Signori, Gabriela: Der „Mönch im Bild“: Das Porträt als klösterliches Erinnerungsmedium an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0171
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170 | Gabriela Signori
minutiöser Archivarbeit ausnehmend gut informiert. ³³ Welchen Zweck hingegen
die vier Jahre jüngere Kopie der Altartafel, also die »Exeter Madonna«, erfüllen
sollte, ist schwieriger zu bestimmen. Es scheint, als habe sie Jan Vos anfertigen
lassen, als er im Jahr 1450 in die Kartause Nieuwlicht bei Utrecht überwechselte.
Vos nahm das kleinformatige Duplikat mit, das ihn nicht nur an sein früheres
Priorat (1441–1450) erinnern sollte, sondern auch an das von ihm für die Kartause
Gnadental gestiftete Bild und folglich auch an seine eigene Bildstiftung. Wie dem
auch sei, in der Kartause Gnadental fand Petrus Christus auf jeden Fall das vor, was
er für das Porträt des Laienbruders brauchte: lebendige Konversen mit wuseligen
Bärten und Mönchskutten mit dem für Laienbrüder spezifischen Zuschnitt, Laienbrüder,
die der Künstler zum Anlass nahm, über sich selbst und über Christus zu
reflektieren.
II
Zu den ältesten nicht fiktiven Mönchsporträts in Form eines Diptychon zählt das
Bildnis eines unbekannten Franziskaners, das sich heute in der National Gallery
von London befindet (Abb. 5). ³⁴ Die Zuschreibung zum Franziskanerorden muss
allerdings insofern fraglich bleiben, als dem Brustbild stichhaltige »Indizien« wie die
Franziskanerkordel fehlen. Ebenso irritiert die wenig regelkonforme Frisur. Auffallend
ist mit 18,7 auf 11,7 cm bemalter Bildfläche abermals das handliche Kleinformat
des Porträts. Dentrochronologische Analysen erlauben es, die Holztafel in
die Jahre 1445 –1450 zu datieren. ³⁵ Mittels Stilvergleich haben die Kunsthistoriker
beachtliche Zeit und Energie darauf verwendet herauszufinden, welcher Werkstatt
das Tafelbild entstammt. ³⁶ Darüber einig ist sich die Forschung aber nicht. Für wen
und zu welchem Anlass das Porträt gemacht wurde, die Frage scheint für die Kunsthistoriker
hingegen von zweitrangiger Bedeutung zu sein. Und so bleibt bis heute
33 Scholtens, Petrus Cristus (wie Anm. 30), S. 64 f.
34 London, National Gallery, Inventar-Nr. 6277, 22,7 × 15,3 cm (mit Originalrahmen). Stil und Bildstruktur
führen Felix Thürlemann, Robert Campin. Eine Monographie mit Werkkatalog, München/Berlin/
London u. a. 2002, S. 327 f. zur Annahme, dass das Mönchsporträt Teil eines Diptychon gewesen sein
muss. Es irritiert allerdings, dass der Mönch rechts der Marienszene platziert ist.
35 Thürlemann, Robert Campin (wie Anm. 34), S. 327. Vgl. Peter Klein, Dendrochronologische Untersuchungen
an Gemäldetafeln der Gruppen Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden, in: Der
Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden, hg. von Stephan Kempderdick/Jochen Sander,
Ostfildern 2008, S. 161–179.
36 Vgl. Martin Davies, A Portrait by Campin, in: Burlington Magazine 108, 1966, S. 622; Lorne Campbell,
Campin’s Portraits, in: Robert Campin. New Directions in Scholarship, hg. von Susan Foister/
Susie Nash, Turnhout 1996, S. 123 –133; Albert Châtelet, Robert Campin – Le Maître de Flémalle. La
fascination du quotidien, Anvers 1996, S. 329.
 
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