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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Röhrkasten, Jens: Ordensdisziplin und Konformität bei den Dominikanern und Franziskanern
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0198
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Ordensdisziplin und Konformität bei den Dominikanern und Franziskanern | 197
im Glauben. ⁷⁸ Später forderte Bonaventura keine organisatorische Einheitlichkeit,
sondern eine spirituelle conformitas mit Christus, die auch auf Gehorsam basiere
und Bestandteil der perfectio evangelicae sei. ⁷⁹ Die Nachfolge Christi forderte Angelo
Clareno in seinem Regelkommentar mit gleicher Intensität, führte dabei jedoch
aus, dass der Gehorsam dabei Gott eher als den Menschen geschuldet werde. ⁸⁰ In
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts steht der Gedanke der Christusnachfolge
des Ordensgründers im Zentrum des Werkes des Bartholomäus von Pisa. ⁸¹
Es stellt sich abschließend die Frage, welche Konsequenzen sich aus diesen Unterschieden
für das hier behandelte Thema der Konformität und Disziplin ergaben.
Hier liegt sicher einer der Gründe für die Stabilität des Predigerordens. Abweichungen
von den Normen waren möglich, wenn es dem Erreichen der Ziele diente.
Beratungen über die Entwicklung der Gemeinschaft waren auf den Provinzial-,
vor allem aber auf den Generalkapiteln verankert. Sie haben die Existenz oder den
Charakter des Ordens ebenso wenig in Frage gestellt wie Devianzen im Bereich
der Disziplin. Dagegen bestanden bei den Franziskanern deutliche Unsicherheiten
über die Orientierung des Ordens, die bis hin zu Abspaltungen unter Cölestin V.
führten und das Potential hatten, die Gemeinschaft zu zerstören. ⁸² Bemühungen um
Konformität konnten hier prinzipielle Grundfragen nach den Idealen des Gründers
und der Lebensweise der Brüder aufwerfen. Die relative Stabilität des Ordens trotz
dieser latenten Reibungsverluste ist darauf zurückzuführen, dass die konkreten
Auswirkungen regional begrenzt blieben, während sich die theoretischen Überlegungen
auf die intellektuelle Elite der Gemeinschaft begrenzten.
78 Sic enim eos repleverat sancta simplicitas, sic eos innocentia vitae docebat, sic eos cordis puritas possidebat,
ut duplicitatem animi penitus ignorarent, quia sicut una fides, ita unus spiritus erat in eis, una
voluntas, una charitas, animorum cohaerentia semper, morum concordia, virtutum cultus, conformitas
mentium et pietas actionum. Thomas von Celano, Vita prima, in: Fontes Franciscani, hg. von Enrico
Menestò/Stefano Brufani (Medioevo francescano. Testi 2), Assisi 1995, S. 275 – 424, hier S. 320, cap.
17, Nr. 46.
79 Bonaventura von Bagnoregio, Quaestiones de perfectione evangelica, in: S. Bonaventurae Opera Omnia,
Bd. 5: Opuscula varia theologica, Quaracchi 1891, S. 185: Item, conformitas ad Christum est consona perfectioni
evangelicae; sed Christus mera liberalitate subiecit se homini, Lucae secundo: Et erat subditus
illis: ergo se ipsum alteri subiicere facit Christo conformem. Sed hoc maxime fit per obedientiae votum.
80 Expositio super Regulam Fratrum Minorum di Frate Angelo Clareno, hg. von Giovanni Boccali, Assisi
1995, S. 224: pauperes et fideles Christi servi, ut suo capiti conformentur, fiducialiter agent et per mortem
vitam mercantes eternam obedire Deo magis quam hominibus.
81 Bartholomäus von Pisa, De conformitate vitae beati Francisci ad vitam domini Iesu, 2 Bde. (Analecta
Franciscana 4, 5), Quaracchi 1906 –1912.
82 Peter Herde, Coelestin V. 1294 (Päpste und Papsttum 16), Stuttgart 1981, S. 111–114, 199.
 
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