Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Untermann, Matthias: Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen: Die Baukunst der Bettelorden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0276
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zwischen Ästhetik des Verzichts
und monastischen Idealen:
Die Baukunst der Bettelorden
Matthias Untermann
Eine fühlbare ästhetische Distanz zu Stadtpfarrkirchen, mehr noch zu den Kirchen
der traditionellen geistlichen Gemeinschaften oder gar zu Domkirchen zeichnet
die Architektur der Bettelorden des 13. und 14. Jahrhunderts aus. Das Langhaus
der Dominikanerkirche in Colmar (Abb. 1), die 1293 immerhin unter Mitwirkung
König Rudolfs von Habsburg begonnen worden war, ¹ verzichtet auf alles, was
im späten 13. Jahrhundert von einem angemessenen Kirchenraum erwartet wurde:
dünne, schlichte Rundpfeiler anstatt gotischer Gliederpfeiler, keine Kapitelle
anstatt filigran gestalteter Blattzier und feinteiliger Profile, die Arkaden werden
einfach mit den Rundstützen verschnitten – immerhin zeigen ihre Profile, dass der
Verzicht auf die bisher genannten Bauelemente ein bewusster Verzicht und nicht
bloß Unvermögen war. Darüber fehlen dann die üblichen Fenster zur Belichtung
des Mittelschiffs und auch ein steinernes Gewölbe. Das Langhaus erhält sein Licht
durch große Maßwerkfenster in den Außenwänden der Seitenschiffe, die darüber
hinaus aber gleichfalls schmucklos blieben und sogar in geradezu primitiv erscheinender
Weise mit schräg aufsteigenden Holzdecken gedeckt sind. ² Der Langchor
der Brüder, ursprünglich durch einen hohen Lettner vom Laienraum getrennt,
präsentiert sich demgegenüber als richtige Sakralarchitektur, mit polygonalem Abschluss,
Maßwerkfenstern und Gewölbe – das freilich nicht auf Wandsäulen ruht,
sondern hoch über dem Chorgestühl auf Konsolen abgefangen wird. Dieser Raum
bleibt dem Messopfer am Hochaltar und dem Chorgebet des Konvents angemessen.
1 Matthias Untermann, Nachwort, in: Richard Krautheimer, Die Kirchen der Bettelorden in
Deutschland. Mit einem Nachwort zur Neuausgabe von Matthias Untermann, Köln 1925, Nachdruck
Berlin 2000, S. 197–208; Helma Konow, Die Baukunst der Bettelorden am Oberrhein (Forschungen zur
Geschichte der Kunst am Oberrhein 6), Berlin 1954, S. 16 –23.
2 Vgl. Ulrich Knapp, Die Esslinger Bettelordenskirchen im Kontext der Architektur des 13. und 14. Jahrhunderts,
in: Zwischen Himmel und Erde. Klöster und Pfleghöfe in Esslingen, hg. von Kirsten Fast/Joachim
J. Halbekann, Petersberg 2009, S. 187–195, hier S. 191 f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften