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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Rexroth, Frank: Monastischer und scholastischer Habitus: Beobachtungen zum Verhältnis zwischen zwei Lebensformen des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0330
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Monastischer und scholastischer Habitus | 329
Nicht kompatibel mit monastischen Vorstellungen von Geistigkeit war auch die
scholastische Praxis des Studienort- und Fächerwechsels. Johann von Salis bury erachtete
es beispielsweise für ganz richtig, wenn Scholaren durch Lehrer- und Ortswechsel
einen ganzen cursus nicht nur von Materien, sondern auch von Herangehensweisen,
Schwerpunktsetzungen und Standpunkten kennenlernten. ³⁵
Was die scholastische und die monastische Lebensform aber doch miteinander
gemein hatten, war mit deren jeweiligen Relation zu ihrer Außenwelt verbunden.
Dies gilt etwa für das Ausschließlichkeitspostulat, das mit der Profess und dem
Philosophenleben gleichermaßen verbunden war: Der Welt sterben zu wollen oder
im Sinn der antiken Philosophen lediglich sibi et litteris zu leben, führte zu ähnlichen
Techniken der mentalen Abschottung gegenüber der Umwelt. Auch gehörte
es gleichermaßen zum Habitus von Dialektikern und Mönchen, die Sinneserfahrungen
und die Meinungen der Menschen zu verachten, sie – in den Worten Peter von
Moos’ – anzusehen »als die trügerischsten und vulgärsten Erkenntnisformen, die
sowohl der fromme Mönch wie der rationalistische Philosoph um jeden Preis überwinden
soll«. ³⁶ Wie für das Mönchtum, wurde disciplina auch für die Wissenschaft
zum Schlüsselbegriff – für die einen meinte er die Zucht, die in der regulae disciplina
bestand, für die anderen den Wissensraum, den die Regeln, Kerngegenstände und
Referenztexte einer ars bildeten. ³⁷ Beide Daseinsformen wollten unter Entbehrun-
65. Geburtstag, hg. von Georg Jenal/Stephanie Haarländer, Stuttgart 1993, S. 317–337, S. 331. Von
Fichtenau ist auch die Übersetzung entnommen.
35 John of Salisbury, Metalogicon, hg. von John Barrie Hall (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis
98), Turnhout 1991, lib. II, cap. 10, S. 70 –73.
36 Peter von Moos, ›Sensus communis‹ im Mittelalter. Sechster Sinn und sozialer Sinn. Epistemologische,
ekklesiologische und eschatologische Aspekte, in: Ders., Gesammelte Studien zum Mittelalter, hg. von
Gert Melville, Bd. 3: Öffentliches und Privates, Gemeinsames und Eigenes, Münster 2007, S. 395 – 458,
S. 411 f. Die Rezeption der aristotelischen Naturphilosophie wird hieran freilich manches ändern.
37 Otto Mauch, Der lateinische Begriff ›disciplina‹. Eine Wortuntersuchung, Fribourg 1941; Gabriel Jüssen/
Gangolf Schrimpf, Disciplina, doctrina, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Darmstadt
1972, Sp. 256–261; Wendelin Knoch, Disciplina, I.: In der scholastischen und monastischen Tradition,
in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München/Zürich 1986, Sp. 1106–1108; Charles du Fresne du Cange,
Glossarium mediae et infimae latinitatis, Bd. 3, Neuausgabe Niort 1883–1887, Sp. 130a: »Disciplina, apud
monachos, est flagellatio, interdum virgae ipsae, quibus flagellantur.« Olga Weijers, L’appellation des
disciplines dans les classifications des sciences aux XII ᵉ et XIII ᵉ siècles, in: Knowledge and Science in
Medieval Philosophy. Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Philosophy, hg. von
Simo Knuuttila/Reijo Työrinoja/Sten Ebbesen, Helsinki 1990, S. 113–115. Dominicus Gundissalinus,
De divisione philosophiae, hg. von Alexander Fidora/Dorothée Werner (Herders Bibliothek
der Philosophie des Mittelalters 11), Freiburg/Basel/Wien 2007, S. 110: Disciplina vero dicitur respectu
discipuli, quia discitur. Zur Unterscheidung der Disziplinen anhand ihrer jeweils geltenden Regeln Alain
von Lille, Regulae theologiae. Regeln der Theologie. Lateinische – Deutsch, hg. von Andreas Niederberger/Miriam
Pahlsmeier, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2009, S. 48: Omnis scientia suis nititur
regulis velut propriis fundamentis et, ut de gramatica taceamus quae tota est in hominum beneplacitis et
voluntate et de eius regulis quae sunt in sola hominum positione, cetere scientiae proprias habent regulas
quibus nituntur et quasi quibusdam certis terminis clauduntur […]. Es folgt ein Durchgang durch die
Wissenschaften und eine Erörterung, wie in ihnen jene spezifischen regulae bezeichnet werden.
 
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