Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0170
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4.5 Aspekte des Textes

169

engste verknüpfte Reue sind Techniken der Reinigung des Inneren:280 das, was
Max Scheler „Entmächtigung der Schuld“ nannte.281
Als Kern dieses Inneren wiederum galt, je nach metaphorischer Präferenz des
Verfassers, das Herz, die Seele oder eben das Gewissen. Welche Bezeichnung
auch immer gefunden wurde, dieses Innere hatte rein zu sein, um - wie es im
Traktat Vom inneren Haus heißt - Christus eine „würdige Behausung“ („dignum
habitaculum“) zu bereiten,282 und damit die Wahrheit in sich aufzunehmen. Ein
schlechtes Gewissen jedoch, so hatte Augustinus gelehrt, trenne von Chris-
tus.283 Es musste darum gehen, das Schlechte, aus dem eine mala conscientia er-
wuchs, nicht zu wollen, darum, in jenen Fluss zu steigen, der den Gerechten
reinigt, nicht in jenen, der den Ungerechten noch weiter besudelt.284 Das Vermö-
gen zu dieser Wahl sah der Verfasser von De quattuor modis conscientiarum im
Menschen selbst angelegt. Der vom Text gewiesene unmittelbare Zusammenhang
vom Gewissen eines Menschen und seinen Gedanken legt diesen Schluss nahe:
Jene vergifteten Gedanken, von denen im Text die Rede ist, die mit ihrer Süße in
das Gewissen das Menschen einzudringen vermögen,285 galt es fernzuhalten.
b) Arten der Gedanken und des Geistes
Eben diese Gedanken sind Schwerpunkt eines zweiten, wenn auch deutlich kür-
zeren Teils des Textes. In ihm wird zunächst von verschiedenen Gedanken und
schließlich noch von den Arten der Geister gehandelt, die als innere Stimmen des
Menschen beschrieben sind. Dieser zweite Teil knüpft damit inhaltlich unmittel-
bar an den ersten über das Gewissen an. Im Zentrum des Interesses stehen nun
gleichsam die zentralen Voraussetzungen jener zuvor thematisierten Gewissens-
regungen.
Ebenso wie im ersten Teil über die verschiedenen conscientiae geht der Verfas-
ser auch hier von einem festen Reservoir möglicher Gedanken aus. Anders als im

280 „Elle [die Beichte] a affine la conscience, fait progresser l’interiorisation et le sens des respon-
sabilites [...].“ J. Delumeau, L’aveu et le pardon, S. 11. Zur entsprechenden Literatur vgl.
P. Michaud-Quantin, Sommes de casuistique.
281 M. Scheler, Reue und Wiedergeburt, S. 116 (48).
282 De interiori domo, cap. I (5), Sp. 510; Vgl. M. Breitenstein, Das ,Haus des Gewissens1, S. 26f.
283 „[...] nec ad reconciliationem, si forte per paenitentiam malamque conscientiam quisque ab
eodem corpore separatus est.“ Augustinus, De civitate Dei, lib. XX, cap. 9, S, 717.
284 „Hü sunt quattuor conscientiarum rivi de voluntatis fonte currentes, in quibus iusti purgantur,
inquinantur iniusti [...].“ De quattuor modis conscientiarum, cap. II.4, vgl. unten, S. 202, Z. 17f.
285 „Sicut enim reptile latenter repit et sinuosis anfractibus huc illucque deambulat, ita et hominis
conscientiam venenate cogitationes suaviter intrant et exeunt, ut nesciat homo, unde veniant aut
quo vadant.“ Ebd., cap. I, vgl. unten, S. 180, Z. 5-8.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften