Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0255
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
254

6. Rezeptionen und Wirkungen

der Christen dienen will“97. Trostbücher, wie jenes des Predigers Nider, bilde-
ten ein zentrales Genre im Feld der geistlichen Literatur ihrer Zeit.98
Nider sah sein Werk als Arznei gegen jenes Leiden, das seine Zeit befallen hatte:
die sich in einem verängstigten und skrupulösen Gewissen manifestierende Unge-
wissheit des Heils.99 Nichts Besseres gebe es als ein gutes und nichts Schlechteres
als ein schlechtes Gewissen.100 Wie die Zahl der Handschriften und noch der Früh-
drucke bezeugt, wurde Niders Heilmittel auch gern angenommen.101
Der Dominikaner eröffnete sein Consolatorium nicht unmittelbar mit Emp-
fehlungen zur Gewissenspflege, sondern zunächst mit Darlegungen über das
gute Gewissen und dessen Früchte als Wege zur Hoffnung,102 sowie analog
hierzu über das schlechte Gewissen und die aus ihm erwachsenden Übel.103
Gleich zu Beginn seines Werkes wies Nider seine Leser somit auf die je mögli-
chen Folgen des einen wie des anderen Gewissenszustandes hin. Zugleich hatte
er damit bereits die erste Unterscheidung von Gewissensqualitäten getroffen -
die von gut und schlecht - und damit seinen Ausführungen zu den Arten der
conscientia vorgegriffen, die erst in anschließenden Kapiteln folgen sollten.
Nider wollte nicht belehren, sondern zu einem gelingenden Leben anleiten.
Es war sein ureigenstes Interesse, seine Leser auch mit den Arten der conscien-
tia vertraut zu machen, da er deren Kenntnis für eine Voraussetzung zur Hei-
lung schlechter Gewissenszustände hielt. Nur wer wußte, welche Qualitäten
und Formen ein Gewissen überhaupt annehmen konnte, der konnte sein eige-
nes gestalten.
97 B. Hamm, Was ist Frömmigkeitstheologie, S. 119. Zu den Adressaten dieser ,Theologie‘ vgl.
ebd., S. 121f.
98 Vgl. mit reicher Übersicht der Texte A. Auer, Johannes von Dambach. Zur Akzentuierung des
Begriffs und der Entwicklung des Genres vgl. S. Grosse, Heilsungewißheit, v. a. S. 159-73.
99 „Et quamque in humanam animam cadere possint infirmitatum spiritualium pene infinita acci-
dentia, tarnen pro presenti uni morbo qui est erronea conscientia principaliter succurrere pro-
pono per hunc tractatum qui censeri potest consolatorium timorate conscientie quem revera
solum ex famosorum doctorum tarn theologice pagine quam iuris canonici comportavi sentenci-
is.“ J. Nider, Consolatorium timorate conscientie, Prolog. Ich zitiere, soweit nicht anders ausge-
wiesen, die Ausgabe Köln 1506.
100 „[...] in huius vite exilio nichil est bona conscientia iocundius [...] in hac lachrymarum valle
nihil penalius et miserabilius mala conscientia Ebd., Prolog. Zu Niders Gewissensvor-
stellungen vgl. Th. Brogl, „ Yegliches nach sin vermugen“.
101 Vgl. zur Überlieferung Th. Kaeppeli, Scriptores ordinis Praedicatorum, n° 2535, Bd. 2, S. 501f.
Zu den Drucken vgl. GWM26809, M26810, M26811, M26812, M26815, M26818, M26820,
M26822, M26824, M26827, M26829, M26831, M2683120.
102 „Capitulum primum quod conscientia primo modo capitur pro spe, et ponuntur septem eius-
dem bone conscientie fructus laudabilissimi.“ J. Nider, Consolatorium timorate conscientie,
lib. I, cap. 1.
103 „Capitulum secundum quod mala conscientia eam habenti septem mala ingerit.“ Ebd., cap. 2.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften