6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen
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Das gute wie auch das schlechte Gewissen sei vielfältig, führte Nider aus. So
gebe es das gebrandmarkte Gewissen, das allzu weite ebenso wie das zu enge
oder verzagte Gewissen; neben diesen sei noch eines, das nicht gut, aber ruhig -
ein anderes, das aufgewühlt und ebenfalls nicht gut sei; wieder ein anderes sei
zwar aufgewühlt, aber gut - ein letztes schließlich ruhig und gut.104
Nider kannte das Viererschema also offenbar, stellte es als solches aber nicht
eigens heraus und enthob es dadurch zugleich seiner inneren Kohärenz. Die
Gruppe von gut, schlecht, ruhig und unruhig hatte ihre Exklusivität aus dem
Umstand ihrer ihrer doppelt binären Zuordnung bezogen, die jedoch nicht er-
weiterbar war. Nider platzierte die vier Arten nun jedoch in einem größeren
Zusammenhang, womit er zugleich ihren geschlossenen Charakter aufhob: Statt
vier Arten, mit denen jeder nur mögliche Zustand des Gewissens beschrieben
werden konnte, waren es nun sieben, die jedoch zugleich Raum für weitere
Qualitäten ließen. Auch wenn Nider diese Möglichkeit der Erweiterung seines
Septetts nicht eigens erwähnte, war sie bereits mitzudenken; seine Aufzählung
war offen und damit anschlussfähig.
Niders Unterscheidung von sieben Gewissensarten im Besonderen hatte
ebenso Erfolg wie sein Consolatorium im Allgemeinen.105 Neben seinem Ordens-
bruder, dem Dominikaner Johannes Herolt, und dem Karmeliten Konrad
Rudner, die sich beide auf diesen Text bezogen,106 ist hier auch auf Johann
Geiler von Kaysersberg (f 1510) zu verweisen, einen der bedeutendsten und
wirkmächtigsten Prediger des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhun-
derts.107 Dieser übernahm - ohne Angabe seiner Quelle - das Schema der sieben
Gewissensarten aus dem niderschen Trostbuch zu weiten Teilen wörtlich und
ergänzte es selbst wiederum an einigen Stellen. Bei dem entsprechenden Text
handelt es sich um die dritte Predigt Geilers aus dessen Zyklus über die Klein-
mütigkeit (De pusillanimitate}, die posthum 1518 erstmals im Druck erschien.108
Unter dem Titel Von der Ängstlichkeit wegen des Gebets kam er auf den Aspekt
der Gewissensirrtümer zu sprechen und stellte hiervon ausgehend die Frage, ob
das Gewissen immer gleich sei. Seine Antwort war ein klares Nein, das er mit
dem niderschen Schema begründete.109
Unklar bleibt, woher Johannes Nider selbst das Schema der vier Gewissens-
arten kannte. Der Dominikaner benannte keinen Referenztext, doch sind deut-
liche Anklänge an Bernhards Predigt Vom vierfachen Gewissen erkennbar: So
104 „Est autem consciencia bona scilicet et mala multiplex quia quedam est et dicitur cauteriata, alia
nimis lata, alia nimis arta et pusillanimis, alia tranquilla sed non bona, alia perturbata non bona,
alia perturbata sed bona et alia tranquilla et bona.“ Ebd., Üb. I, cap. 3.
105 Vgl. oben Anm. 101.
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Das gute wie auch das schlechte Gewissen sei vielfältig, führte Nider aus. So
gebe es das gebrandmarkte Gewissen, das allzu weite ebenso wie das zu enge
oder verzagte Gewissen; neben diesen sei noch eines, das nicht gut, aber ruhig -
ein anderes, das aufgewühlt und ebenfalls nicht gut sei; wieder ein anderes sei
zwar aufgewühlt, aber gut - ein letztes schließlich ruhig und gut.104
Nider kannte das Viererschema also offenbar, stellte es als solches aber nicht
eigens heraus und enthob es dadurch zugleich seiner inneren Kohärenz. Die
Gruppe von gut, schlecht, ruhig und unruhig hatte ihre Exklusivität aus dem
Umstand ihrer ihrer doppelt binären Zuordnung bezogen, die jedoch nicht er-
weiterbar war. Nider platzierte die vier Arten nun jedoch in einem größeren
Zusammenhang, womit er zugleich ihren geschlossenen Charakter aufhob: Statt
vier Arten, mit denen jeder nur mögliche Zustand des Gewissens beschrieben
werden konnte, waren es nun sieben, die jedoch zugleich Raum für weitere
Qualitäten ließen. Auch wenn Nider diese Möglichkeit der Erweiterung seines
Septetts nicht eigens erwähnte, war sie bereits mitzudenken; seine Aufzählung
war offen und damit anschlussfähig.
Niders Unterscheidung von sieben Gewissensarten im Besonderen hatte
ebenso Erfolg wie sein Consolatorium im Allgemeinen.105 Neben seinem Ordens-
bruder, dem Dominikaner Johannes Herolt, und dem Karmeliten Konrad
Rudner, die sich beide auf diesen Text bezogen,106 ist hier auch auf Johann
Geiler von Kaysersberg (f 1510) zu verweisen, einen der bedeutendsten und
wirkmächtigsten Prediger des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhun-
derts.107 Dieser übernahm - ohne Angabe seiner Quelle - das Schema der sieben
Gewissensarten aus dem niderschen Trostbuch zu weiten Teilen wörtlich und
ergänzte es selbst wiederum an einigen Stellen. Bei dem entsprechenden Text
handelt es sich um die dritte Predigt Geilers aus dessen Zyklus über die Klein-
mütigkeit (De pusillanimitate}, die posthum 1518 erstmals im Druck erschien.108
Unter dem Titel Von der Ängstlichkeit wegen des Gebets kam er auf den Aspekt
der Gewissensirrtümer zu sprechen und stellte hiervon ausgehend die Frage, ob
das Gewissen immer gleich sei. Seine Antwort war ein klares Nein, das er mit
dem niderschen Schema begründete.109
Unklar bleibt, woher Johannes Nider selbst das Schema der vier Gewissens-
arten kannte. Der Dominikaner benannte keinen Referenztext, doch sind deut-
liche Anklänge an Bernhards Predigt Vom vierfachen Gewissen erkennbar: So
104 „Est autem consciencia bona scilicet et mala multiplex quia quedam est et dicitur cauteriata, alia
nimis lata, alia nimis arta et pusillanimis, alia tranquilla sed non bona, alia perturbata non bona,
alia perturbata sed bona et alia tranquilla et bona.“ Ebd., Üb. I, cap. 3.
105 Vgl. oben Anm. 101.