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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0325
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324

6. Rezeptionen und Wirkungen

vaux identifiziert420 - der Zisterzienserabt gehörte generell zu seinen bevorzugten
Autoren.421 Mit Bernhard wusste er sich zudem auch in der Verehrung des Pau-
lus einig, hatte dieser doch in einer weiteren, in der gleichen Sammlung enthalte-
nen Predigt herausgestellt: „Siehe, wie sehr die Philosophie Pauli die Philosophie
der Weisen dieser Welt überragt.“422
Dessen ungeachtet erscheint die Platzierung des Gewissensmotivs zunächst
merkwürdig, da sich der Zusammenhang zur dritten Stufe der Ruhe nicht auf den
ersten Blick erschließt, wurde doch die bona conscientia bereits ausführlich im
Abschnitt zur zweiten Stufe, hier aber unter Rekurs auf De interiori domo be-
schrieben.
Worauf es dem Kapuziner aber offenbar tatsächlich ankam, waren gar nicht
die vier Arten des Gewissens, die im Zentrum der von ihm zitierten Predigt
stehen - es war die fünfte: jene conscientia bona et tranquilla et secura, die von
Bernhard gleichsam als Rückversicherung den anderen vier Arten vorgeordnet
worden war.423 Erst dieses nicht nur gute und ruhige, sondern überdies auch si-
chere Gewissen versprach jene vollkommene Ruhe, die für Georges d’Amiens
die höchste Glorie manifestierte. David erbat also, so nahm der Kapuziner seinen
Faden wieder auf, ewige Ruhe und ungestörten Seelenfrieden.424 Ohne diese
Ruhe würde die Seele beständig treiben: Solange sie den sündigen Körper be-
wohne, steige sie in einem steten Wechsel zum Himmel auf und sinke in die tiefs-
ten Abgründe hinab; sie vergehe in der Sünde oder werde zum Guten erleuchtet.
Ruhen könne sie nur, wo der Sitz der Ruhe sei, dort, wohin man nur einmal auf-,
aber von wo man niemals wieder hinabsteige; wo es keine Furcht vor dem Tode
gebe und keinen Schmerz.425
Georges’ d’Amiens Trina Pauli Theologia kommt unter den hier vorgestell-
ten Werken somit eine Sonderstellung zu: Sie ist ein Text, in dem das Motiv der
vier Gewissensarten einzig deshalb Verwendung fand, weil es als Kontrast einem
420 Vgl. den Text oben S. 61.
421 Willibrord de Paris, „ Georges d’Amiens“, Sp. 237.
422 „Et considera quantum superexcedat Pauli philosophia philosophiam sapientium mundi huius
[...].“ Bernhard von Clairvaux, Sermones de diversis, Sermo VII.1: De triplici gloria, in:
Sämtliche Werke, Bd. 9, S. 236.
423 Vgl. oben S. 64.
424 „Petit ergo requiem, sed aiternam, tranquillitatem, sed [non - dieses non fehlt im Druck, ist aber
nötig, um dem Ganzen Sinn zu geben] interruptam de qua ait, In pace in idipsum dormiam et
requiescam.“ Georges d’Amiens, Trina Pauli Theologia, In epistol. Pauli ad Hebra^os, cap. 3,
Bd. 3, S. 318b-319a.
425 „Inter hsec anima fluctuat iugiter, donec peccati corpus inhabitat, ascendens usque ad coelos, et
herum usque ad abyssos descendens: tabescens in malis, et ad bona nihilominus inardescens. Ibi
igitur requies secura, ubi sedes quieta: ubi semel ascenditur, nec iam descenditur: ubi nullus
deinceps mortis metus, nullus doloris sensus [...].“ Ebd., S. 319 a.
 
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