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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0371
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6. Rezeptionen und Wirkungen

mein Gewissen saget es mir, und dieses Gewissen ist in mir gewiß und nicht zwei-
felhaft; alia bona et tranquilla: 2. ein gutes, welches mit Verwirrungen, Unruhen und
Aengsten begleitet ist, welches man das Fegfeuer der Lebendigen nennen kann, ein
solches ist das Gewissen des Gerechten, der sich mit diesen Ueberlegungen ernäh-
ret: ich habe wider dich, o Herr! gesündiget, ich weis es gewiß; aber habe ich die
Verzeihung meiner Sünde erlanget? ich weis es nicht, ja ich weis nicht, ob ich des
Haßes oder der Liebe würdig bin; alia bona et turbata: 3. ein böses Gewissen, wel-
ches in der Peine ist, und dessen Aengsten den Schuldigen antreiben wieder zu Gott
zu kehren, welcher scheint ihm jeden Augenblick zu wiederholen, was er dem Saul
auf dem Wege nach Damascus gesagt hatte: wie hart ist es dir, wider den Stachel zu
widerstreben, welcher dich sticht! alia mala et turbata: endlich ein böses, welches im
Friede ist, welches mit Sicherheit sündiget, ja welches sich seiner Sünden rühmet
gleichsam als ob es Tugenden wären; alia mala et tranquilla.“626
Thiebaults Wiedergabe dessen, was er bei,Bernhard* im Liber de conscientia
gelesen hatte, ist inhaltlich nah an dieser Vorlage. Zugleich fokussiert er das
Motiv jedoch deutlich in Richtung des Gegenstands seiner Predigt, dem fal-
schen und irrigen Gewissen, so dass diese Passage als Schilderung des Abstiegs
vom Paradies des guten und ruhigen hinab in die von Untieren bevölkerten
Abgründe des schlechten und ruhigen Gewissen gelesen werden kann. Auf
diese Weise konnte er die zunehmende Verstrickung des Menschen in die Sünde
als einen Prozess schildern, der vom heilsamen Zustand einer bona conscientia
entfernte. Ein schlechtes und ruhiges Gewissen war für ihn nicht Ausdruck
jugendlicher Vermessenheit, wie dies in der Predigt Vom vierfachen Gewissen
Bernhards von Clairvaux formuliert ist, sondern eben höchstmöglicher Ver-
derbtheit. Als solches verkehrt es zugleich die gesetzte Ordnung, wie Thie-
bault weiter ausführt:

626 Ders., Christenlehrpredigten, Bd. 6, S. 495f. „[...] j’en trouve lapreuve dans la distinction que
saint Bernard fait des diverses consciences de l’homme: ecoutez ce qu’il en dit, et edifiez-vous de
plus en plus. Onpeut, dit le saint Abbe, distinguer quatre sortes de consciences; 1° une bonne qui
est tranquille et dont lapaix est un avant-goüt de celle dont nous jouirons dans le ciel, teile est
celle du juste quipeut dire avec saint Augustin, oui, Seigneur! je vous aime, c’est ma conscience
qui me le dit, et cette conscience est en moi certaine et non douteuse; alia bona et tranquilla:
2° une bonne qui est accompagnee de troubles, d’inquietudes et d’angoisses, lesquelles on peut
appeller le purgatoire des vivans, teile est celle du juste qui se nourrit de ces reflexions: j’aipeche
contre vous, Seigneur! j’en fuis für; mais ai-je obtenu lepardon de monpeche? je n’en fais rien,
je ne fais sije sui digne de haine ou d’amour; alia bona et turbata: 3° une mau-vaise qui est dans
la peine, et dont les remords prestent le coupable de retournet ä Dieu, qui semble lui repetet ä
chaque instant ce qu’il disoit ä Saül sur le chemin de Damas: qu’il vous est dur de regimber si
opiniätrement contre l’eperon qui vouspique! alia mala et turbata: enfin une mauvaise qui est en
paix, quipeche avec securite, quimeme se glorifie de ces vices comme s’ils etoient des vertus; alia
mala et tranquilla Ders., Doctrine chretienne, Bd. 6, S. 450f.
 
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