Autorität und Strahlkraft I 83
Laterankonzils von 1215, der neue Regeln untersagte und bestehenden Gemein-
schaften nahelegte, bewährte Regeln zu übernehmen, verhinderte wohl eine
Wirkmacht anderer, heute unbekannter Regeln zugunsten der bekannten.11 Die
auf der Suche nach Identität aus dem Heiligen Land zugeströmten Karmeliten
erhielten die Bestätigung ihrer Regel von Innozenz IV. im Jahr 1247.12 Die
Kanonisierung der Eremitenverbände unter die Augustinusregel von 1256 als
Jokerregel des Abendlandes durch Papst Alexander IV. und dessen Bulle Licet
ecclesiae catholicae steht nicht minder in dieser langen Reihe (bisweilen erbete-
ner) päpstlicher Einflussnahmen.13 Den Wilhelmiten freilich gelang zehn Jahre
später der Ausbruch aus diesem künstlichen Verband. Sie kennzeichnet eine
ausgesprochen bewegte Regel-Geschichte, die von stets neuen Selbstfindungs-
prozessen auf der Suche nach einer spezifisch wilhelmitischen Identität, auch
als Distinktionsmerkmal, gekennzeichnet war. Am Beginn der eremitisch le-
benden Gemeinschaft, die sich auf den italienischen Eremiten Wilhelm von
Malavalle (f 1157) als Ordensgründer berief, soll eine Wilhelmsregel existiert
haben, die (in den Quellen bisweilen erwähnt) bereits im ausgehenden 13. Jahr-
hundert verloren gewesen zu sein scheint. Die Eremiten wurden - ganz in un-
serem Sinne auch aufgrund der Autorität und Strahlkraft der Benediktsregel -
von Papst Gregor IX. (f 1241) zur Übernahme dieser Benediktsregel veranlasst.
Die Inkorporation der Wilhelmiten in den oben genannten Verband durch Ale-
xander IV. im Jahr 1256 wiederum hatte für die Wilhelmiten den erneuten
Wechsel ihres normativen Basistextes, nämlich zur Augustinusregel bedeutet.
Von Papst Clemens IV. wurden sie schließlich im Jahr 1266 unter ,ihrer1 Bene-
diktsregel als eigenständig restauriert.14
Neben päpstliche Eingriffe traten unterdessen immer auch weltliche: Die
bereits erwähnte Birgittenregel hätte, gerade auch aufgrund ihrer Ausrichtung
auf Doppelklöster unter der Führung einer Frau, jenseits der päpstlichen
bes. S. 110-114; Sancta Birgitta. Opera minora, BcL 1: Regula Salvatoris, hg. v. Sten Eklund,
Stockholm 1975, S. 21-26; sowie Torre Nyberg, Der Birgittenorden, in: Jörg Sonntag (Hg.),
Geist und Gestalt. Monastische Raumkonzepte als Ausdrucksformen religiöser Leitideen im
Mittelalter (Vita regularis. Abhandlungen 69), Berlin 2016, S. 177-180.
11 Constitutiones Concilii quarti Lateranensis und cum Commentariis glossatorum, ed. A.
Garcia y Garcia (Monumenta Iuris Canonici, Series A: Corpus Glossatorum 2), Vatikan-
stadt 1981, S. 62.
12 Vgl. Andrew Jotischky, The Carmelites and Antiquity. Mendicants and their Pasts in the
Middle Ages, Oxford 2002, bes. S. 8-14.
13 Vgl. dazu u.a. Cnstina Andenna, Non est haec vita apostolica, sed confusio babylonica.
L’invenzione di un ordine nel seculo XIII, in: Andenna/Melville, Regulae (wie Anm. 3),
bes. S. 570-575.
14 Dazu ausführlich Kaspar Elm, Beiträge zur Geschichte des Wilhelmitenordens (Münster-
sche Forschungen 14), Köln/Graz 1962, S. 108-119.
Laterankonzils von 1215, der neue Regeln untersagte und bestehenden Gemein-
schaften nahelegte, bewährte Regeln zu übernehmen, verhinderte wohl eine
Wirkmacht anderer, heute unbekannter Regeln zugunsten der bekannten.11 Die
auf der Suche nach Identität aus dem Heiligen Land zugeströmten Karmeliten
erhielten die Bestätigung ihrer Regel von Innozenz IV. im Jahr 1247.12 Die
Kanonisierung der Eremitenverbände unter die Augustinusregel von 1256 als
Jokerregel des Abendlandes durch Papst Alexander IV. und dessen Bulle Licet
ecclesiae catholicae steht nicht minder in dieser langen Reihe (bisweilen erbete-
ner) päpstlicher Einflussnahmen.13 Den Wilhelmiten freilich gelang zehn Jahre
später der Ausbruch aus diesem künstlichen Verband. Sie kennzeichnet eine
ausgesprochen bewegte Regel-Geschichte, die von stets neuen Selbstfindungs-
prozessen auf der Suche nach einer spezifisch wilhelmitischen Identität, auch
als Distinktionsmerkmal, gekennzeichnet war. Am Beginn der eremitisch le-
benden Gemeinschaft, die sich auf den italienischen Eremiten Wilhelm von
Malavalle (f 1157) als Ordensgründer berief, soll eine Wilhelmsregel existiert
haben, die (in den Quellen bisweilen erwähnt) bereits im ausgehenden 13. Jahr-
hundert verloren gewesen zu sein scheint. Die Eremiten wurden - ganz in un-
serem Sinne auch aufgrund der Autorität und Strahlkraft der Benediktsregel -
von Papst Gregor IX. (f 1241) zur Übernahme dieser Benediktsregel veranlasst.
Die Inkorporation der Wilhelmiten in den oben genannten Verband durch Ale-
xander IV. im Jahr 1256 wiederum hatte für die Wilhelmiten den erneuten
Wechsel ihres normativen Basistextes, nämlich zur Augustinusregel bedeutet.
Von Papst Clemens IV. wurden sie schließlich im Jahr 1266 unter ,ihrer1 Bene-
diktsregel als eigenständig restauriert.14
Neben päpstliche Eingriffe traten unterdessen immer auch weltliche: Die
bereits erwähnte Birgittenregel hätte, gerade auch aufgrund ihrer Ausrichtung
auf Doppelklöster unter der Führung einer Frau, jenseits der päpstlichen
bes. S. 110-114; Sancta Birgitta. Opera minora, BcL 1: Regula Salvatoris, hg. v. Sten Eklund,
Stockholm 1975, S. 21-26; sowie Torre Nyberg, Der Birgittenorden, in: Jörg Sonntag (Hg.),
Geist und Gestalt. Monastische Raumkonzepte als Ausdrucksformen religiöser Leitideen im
Mittelalter (Vita regularis. Abhandlungen 69), Berlin 2016, S. 177-180.
11 Constitutiones Concilii quarti Lateranensis und cum Commentariis glossatorum, ed. A.
Garcia y Garcia (Monumenta Iuris Canonici, Series A: Corpus Glossatorum 2), Vatikan-
stadt 1981, S. 62.
12 Vgl. Andrew Jotischky, The Carmelites and Antiquity. Mendicants and their Pasts in the
Middle Ages, Oxford 2002, bes. S. 8-14.
13 Vgl. dazu u.a. Cnstina Andenna, Non est haec vita apostolica, sed confusio babylonica.
L’invenzione di un ordine nel seculo XIII, in: Andenna/Melville, Regulae (wie Anm. 3),
bes. S. 570-575.
14 Dazu ausführlich Kaspar Elm, Beiträge zur Geschichte des Wilhelmitenordens (Münster-
sche Forschungen 14), Köln/Graz 1962, S. 108-119.