Die Macht formaler Verfahren I 101
zu überprüfenden Hauses waren (z.B. bei Zisterziensern). Bei den Cluniazen-
sern wurden alle Visitationsprotokolle zum Generalkapitel (und zur späteren
Archivierung) verbracht, bei den anderen Orden (gut überliefert z.B. bei den
Zisterziensern oder Dominikanern) nur diejenigen, deren erhobene Befunde
nicht vor Ort bzw. im zuständigen Instanzenbereich hatten geklärt werden kön-
nen. Auf den Generalkapiteln wurden sie von Definitoren auf ihre Justiziabilität
hin überprüft, im positiven Falle dem Plenargremium vorgelegt, dort aufgrund
der Schriftlage, oft auch nach Anhörung des Beschuldigten bzw. anhand von
Zeugen entschieden und an die Exekutive weitergeleitet.
Von besonderer Signifikanz für die Steuerung durch formale Verfahren wa-
ren Sachlagen, deren Beurteilung und Sanktionierung einer bestimmten Rou-
tine unterworfen werden konnten, was bedeutet, dass in Ordensorganisatio-
nen durch spezifische Auslöseereignisse (also Devianzen und Verfehlungen
aller Art) Folgehandlungen eintreten16. Routine ermöglicht es Leitungsorga-
nen (z.B. dem Generalkapitel) trotz kontingenter, von der Systemumwelt
gelieferter Informationen (z.B. über die Tatbestände inquisitorischer Erhe-
bungen durch die Visitatoren) Entscheidungen herbeizuführen und somit
Rechtssicherheit herzustellen17, denn sie bringt „Tatbestand und Rechtsfolge
in einen erwartbaren Wenn/Dann-Zusammenhang [...].“18 Fälle, die durch
Routine beendet werden konnten, sind für die Steuerungsbilanz einer Organi-
sation also von entscheidender Bedeutung. Man kann sogar sagen, dass die
Effizienz von Steuerungssystemen daran zu messen ist, wie viele verschiedene
Fälle sie im Rahmen geltender Verfahrensregeln unter ein bestimmtes katego-
riales Raster der Rechtsmaterie zu subsumieren vermochten, das entweder
selbst auch normativ festgelegt war oder durch Erfahrung erworben wurde.19
Darauf aufbauend war es erst möglich, konkrete Einzelfälle gleichartig zu for-
malisieren und damit innerhalb eines kalkulierbaren Verfahrensablaufes routi-
nemäßig zu lösen. Wichtigste Voraussetzung der Integration in ein solches
16 Vgl. Niklas Luhmann, Lob der Routine, in: Ders., Politische Planung. Aufsätze zur Sozio-
logie von Politik und Verwaltung, Wiesbaden 2007, S. 113-142, hier S. 119.
17 Vgl. Philipp Sarasin, Routine, in: Ute FRiETSCH/Jörg Rogge (Hgg.), Über die Praxis kul-
turwissenschaftlichen Arbeitens: Ein Handwörterbuch (Mainzer Historische Kulturwis-
senschaften 15), Bielefeld 2013, S. 352-357, hier S. 354.
18 Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Bde., Reinbek 1972, Bd. 2, S. 227; einen Verweis auf
die geschichtliche Entwicklung des Rechts gibt William Seagle, Weltgeschichte des Rechts.
Eine Einführung in die Probleme und Entscheidungsformen des Rechts, München/Berlin
1951, S. 165f.
19 Vgl. Luhmann, Legitimation (wie Anm. 13), S. 42f.; Ders., Lob (wie Anm. 16), S. 118-121
sowie Andre Brodocz, Erfahrung mit Verfahren. Zur Legitimation politischer Entschei-
dungen, in: Stollberg-Rilinger/Krischer, Herstellung (wie Anm. 12), S. 91-107, hier
S. 102ff.
zu überprüfenden Hauses waren (z.B. bei Zisterziensern). Bei den Cluniazen-
sern wurden alle Visitationsprotokolle zum Generalkapitel (und zur späteren
Archivierung) verbracht, bei den anderen Orden (gut überliefert z.B. bei den
Zisterziensern oder Dominikanern) nur diejenigen, deren erhobene Befunde
nicht vor Ort bzw. im zuständigen Instanzenbereich hatten geklärt werden kön-
nen. Auf den Generalkapiteln wurden sie von Definitoren auf ihre Justiziabilität
hin überprüft, im positiven Falle dem Plenargremium vorgelegt, dort aufgrund
der Schriftlage, oft auch nach Anhörung des Beschuldigten bzw. anhand von
Zeugen entschieden und an die Exekutive weitergeleitet.
Von besonderer Signifikanz für die Steuerung durch formale Verfahren wa-
ren Sachlagen, deren Beurteilung und Sanktionierung einer bestimmten Rou-
tine unterworfen werden konnten, was bedeutet, dass in Ordensorganisatio-
nen durch spezifische Auslöseereignisse (also Devianzen und Verfehlungen
aller Art) Folgehandlungen eintreten16. Routine ermöglicht es Leitungsorga-
nen (z.B. dem Generalkapitel) trotz kontingenter, von der Systemumwelt
gelieferter Informationen (z.B. über die Tatbestände inquisitorischer Erhe-
bungen durch die Visitatoren) Entscheidungen herbeizuführen und somit
Rechtssicherheit herzustellen17, denn sie bringt „Tatbestand und Rechtsfolge
in einen erwartbaren Wenn/Dann-Zusammenhang [...].“18 Fälle, die durch
Routine beendet werden konnten, sind für die Steuerungsbilanz einer Organi-
sation also von entscheidender Bedeutung. Man kann sogar sagen, dass die
Effizienz von Steuerungssystemen daran zu messen ist, wie viele verschiedene
Fälle sie im Rahmen geltender Verfahrensregeln unter ein bestimmtes katego-
riales Raster der Rechtsmaterie zu subsumieren vermochten, das entweder
selbst auch normativ festgelegt war oder durch Erfahrung erworben wurde.19
Darauf aufbauend war es erst möglich, konkrete Einzelfälle gleichartig zu for-
malisieren und damit innerhalb eines kalkulierbaren Verfahrensablaufes routi-
nemäßig zu lösen. Wichtigste Voraussetzung der Integration in ein solches
16 Vgl. Niklas Luhmann, Lob der Routine, in: Ders., Politische Planung. Aufsätze zur Sozio-
logie von Politik und Verwaltung, Wiesbaden 2007, S. 113-142, hier S. 119.
17 Vgl. Philipp Sarasin, Routine, in: Ute FRiETSCH/Jörg Rogge (Hgg.), Über die Praxis kul-
turwissenschaftlichen Arbeitens: Ein Handwörterbuch (Mainzer Historische Kulturwis-
senschaften 15), Bielefeld 2013, S. 352-357, hier S. 354.
18 Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Bde., Reinbek 1972, Bd. 2, S. 227; einen Verweis auf
die geschichtliche Entwicklung des Rechts gibt William Seagle, Weltgeschichte des Rechts.
Eine Einführung in die Probleme und Entscheidungsformen des Rechts, München/Berlin
1951, S. 165f.
19 Vgl. Luhmann, Legitimation (wie Anm. 13), S. 42f.; Ders., Lob (wie Anm. 16), S. 118-121
sowie Andre Brodocz, Erfahrung mit Verfahren. Zur Legitimation politischer Entschei-
dungen, in: Stollberg-Rilinger/Krischer, Herstellung (wie Anm. 12), S. 91-107, hier
S. 102ff.