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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0137
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Die Wirtschaftsformen des Zisterzienserordens I 133

Einkünften in La Ferte nur eine geringe Rolle, wobei allerdings zu bedenken ist,
dass nicht nur Allodialbesitz oder Lehen, sondern auch von den Schenkern ge-
zielt gekaufte, von den Religiösen also ausgesuchte, Besitzungen an das Kloster
vergeben wurden?9 Allerdings geht Bouchard davon aus, dass dieser Quellen-
befund die tatsächlichen Aktivitäten der Zisterzienser nicht wiedergibt, sondern
dass die burgundischen Zisterzen in diesen Jahren umfangreichen Landbesitz
auch durch Käufe aufbauten, die allerdings nicht gut dokumentiert seien. Diese
Expansion des Ordens, die aus der Gründung neuer Konvente und der Erweite-
rung und Umstrukturierung der Wirtschaft der bereits bestehenden Klöster be-
stand, führte bereits in den 1180er Jahren zur Verschuldung vieler Häuser, der
man auf den Generalkapiteln vergeblich versuchte entgegenzusteuern. Wenn es
nicht möglich war, die Liegenschaften, deren Kontrolle als notwendig angesehen
wurde, zu kaufen oder als Schenkung zu erhalten, waren die Klöster auch bereit,
Pachtverträge abzuschließen.39 40
Ebenso wichtig wie die Möglichkeit, auf verschiedene Formen des Erwerbs
zurückgreifen zu können, war die Entscheidungsfreiheit über den Einsatz der
durch Schenkungen bereitgestellten Mittel. Auf dem Generalkapitel von 1193
wurde den Äbten freigestellt, die Ressourcen dort einzusetzen, wo sie am drin-
gendsten benötigt wurden, auch wenn sie durch Auflagen des Schenkers zweck-
gebunden waren.41 Durch diesen Beschluss stellten die versammelten Äbte si-
cher, dass wichtige wirtschaftliche Entscheidungen intern getroffen wurden und
die Entwicklung der Gemeinschaft zwar von außen gefördert aber darüber hin-
aus nicht beeinflusst wurde. Die hier gewährte Flexibilität, die es vor Ort er-
möglichte, notwendige Entscheidungen von denjenigen treffen zu lassen, denen
die lokalen Umstände genau bekannt waren, hob jedoch die Kontrolle der ein-
zelnen Klöster, die sich auch auf Wirtschaftsfragen erstreckte, nicht auf.
Dennoch bestand in dieser frühen Phase ihrer Entwicklung die Gestal-
tungsmacht einzelner Zisterzen in ihrer Fähigkeit, eine eigene Wirtschafts-
form zu konzipieren und nach Plan zu gestalten. Da die jeweilige Ausprägung
an lokale und regionale Gegebenheiten angepasst war - unterschiedliche For-
men der Agrarwirtschaft mit Getreideanbau, Weinanbau, Vieh- und Pferde-
zucht, Salzgewinnung, Wollproduktion, verschiedene Formen des Bergbaus,
dem Aufbau und Betrieb spezialisierter Werkstätten und Mühlen, Fischerei-
rechten nicht nur in klostereigenen Teichen sondern auch an Flussläufen und
39 Duby (Hg.), Recueil des pancartes de l’abbaye de la Ferte-sur-Grosne (wie Anm. 26), Nr. 212.
40 Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben (wie Anm. 12), Bd. 1/1, S. 137.
41 Statuta, ed. Canivez (wie Anm. 1), Bd. 1, S. 158, Generalkapitel von 1193 Nr. 4: Si data,
fuerit eleemosyna vel cuilibet aedificio aut emptioni terrarum a donante proprie assignata,
sine culpa et transgressione aliquapro voluntate et consilio abbatis, ad usus magis necessarios
transferatur.
 
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