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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0186
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182 I Annette Kehnel

Auch die Kommunkationsformen in den alten Orden sind vielfältig und
spannend. Meister der Kommunikation waren die mittelalterlichen Klöster und
Orden lange vor der Zeit der Bettelorden.8 Neu war nicht die Rhythmisierung
der Kommunikation durch die jährlich abzuhaltenden Generalkapitel. Neu
war nicht die institutionalisierte Kommunikation zwischen Mutterhaus und
Tocherhäusern, zwischen Zentrum und Peripherie. Neu war auch nicht die
normative Verstetigung ordensinterner Kommunikation durch Visitationen,
institutionelle Verfahren verankert in den Statuten und den regelmäßig dazu
verabschiedeten Durchführungsbestimmungen, genannt Definitiones. Nicht
einmal die Beschleunigung der Kommunikationswege und der Ausbreitungs-
geschwindigkeit der Bettelorden war neu. Bekanntlich expandierten bereits die
Zisterzienser im frühen 12. Jahrhundert in rasanter Geschwindigkeit von einer
einzigen Gründung in Molesme in der Bourgogne im Jahr 1098 auf 340 Abteien
um 1150 verstreut in ganz Europa.9 10
Neu an den mendikantischen Kommunikationsformen war die Durchlässig-
keit hin zur Außenwelt. Das klingt zunächst ganz unspektakulär, ja fast zu
trivial, um hier eigens noch einmal hervor gehoben zu werden - neu war die
Idee des Klosters ohne Mauern. Neu waren die daraus resultierenden Konse-
quenzen für die Kommunikationsstrukturen. „Die ganze Welt ein Kloster“ -
Gert Melville hat dieses Motto dem Kapitel über die Franziskaner in seiner
„Welt der Mittelalterlichen Klöster“ vorangestellt.11 Neu war die Öffnung hin
zur Umwelt und die sich daraus ergebende Durchlässigkeit in den Kommuni-
kationsstrukturen. Die Mauern der Bettelordenskonvente wurden durchlässig.
Die Trennung zwischen intus und foris wurde durchlässig. Sie war weder mit
der Kernaufgabe der Predigt noch mit dem Bettel als Erwerbsprinzip der neuen
Orden vereinbar (vgl. Jean-Claude Schmitt in diesem Band).
Das gilt im Prinzip für alle Bettelorden, wird jedoch im Franziskanerorden
am konsequentesten umgesetzt, weil dort die Hinwendung zur kollektiven
Armut und die Abkehr von der monastischen Sesshaftigkeit - der stabihtas
loci - am radikalsten eingefordert wurde.
Anders formuliert: Neu m den Kommunikationsstrukturen der Bettelorden
waren die Konsequenzen der Öffnung der vita religiosa zur Welt. Neu war die
strukturelle Abhängigkeit von der urbanen Umwelt und daraus ergibt sich eine
9 Cristina Andenna/KBus HERBERs/Gert Melville (Hgg.), Die Ordnung der Kommunika-
tion und die Kommunikation der Ordnungen. 1: Netzwerke: Klöster und Orden im Europa
des 12. und 13. Jahrhunderts, Stuttgart 2012.
10 Gert Melville, Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen,
München 2012, S. 139.
11 Ebd.,S. 181.
 
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