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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0187
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Neue Kommunikationsformen im Bettelordenskonvent I 183

völlig andere Sachlage: Der Zwang zur systematischen Interaktion mit der lo-
kalen Umwelt vor Ort, für jedes Mitglied, tagtäglich. Nicht nur dann, wenn
wichtige Gäste im Haus waren, ein Sterbender etwas stiften oder ein Probst
etwas kaufen oder verkaufen will, muss der Mendikant mit seiner Umwelt in
Kontakt treten sondern tagtäglich, um seiner Zweckbestimmung, der Predigt,
nachzukommen und um seinen Unterhalt durch das Betteln zu sichern. Die
Mendikanten waren Bettler, und betteln kann man nicht hinter Klostermauern.
Dieser Aspekt ist natürlich weithin bekannt, doch scheint er angesichts der
späteren Assimilation der mendikantischen Lebensformen an die älteren mo-
nastischen Lebensformen oft aus dem Blick zu geraten. Auch und gerade in der
Ordensforschung.
Die neue mendikantische Existenzform der vita religio sa brachte radikale
Neuerungen in den Kommunikationsstrukturen mit sich hin zu mehr Transpa-
renz, Durchlässigkeit und Ressonanz. Die Bettelmönche trugen Armut, Keusch-
heit und Gehorsam, die Leitprinzipien der vita religosa in die urbane Öffent-
lichkeit der mittelalterlichen Gesellschaft. Im Gegenzug wurde „die ganze
Welt“, die urbane Außenwelt des Klosters zum universalen Kommunikations-
raum der mendikantischen vita religiosa.
Im Folgenden wird daher der Bettelordenskonvent - am Beispiel des franzis-
kanischen Konvents - als Keimzelle neuer Kommunikationsformen und insbe-
sondere als durchlässiger, strukturell offener Kommunikationsraum in den
Blick genommen, um dann die Interdependenzen und Korrelationen mit den
neuen Kommunikationsformen an den mittelalterlichen Universitäten klarer
identifizieren zu können.

3. Der Bettelordenskonvent - ein mittelalterlicher „hub"
Ein Bettelordenskonvent im 13. Jahrhundert war das, was man heute einen „in-
ternationalen“ Treffpunkt nennen würde.12 Noch zeitgemäßer wäre die Charak-
terisierung als „hub“: Ein Netzwerk-Knoten oder eine Hauptumschlagsbasis
der Kommunikation, an der Daten der Netzwerkteilnehmer empfangen, gebün-
delt, verstärkt oder gedämpft, ausgewertet und verbreitet wurden.

12 Jens Röhrkasten, Local Ties and International Connections of the London Mendicants, in:
Jürgen Sarnowsky (Hg.), Mendicants, Military Orders, and Regionalism in Medieval Euro-
pe, Aldershot 1999, S. 145-184; vgl. auch die alte, aber aufschlussreiche Studie von John F. H.
Moorman, The Foreign Element among the English Franciscans, in: English Historical
Review 62, 1947, S. 289-303.
 
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