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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0207
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Die deutschsprachige Predigt der Hirsauer Reform I 203

gehabt hat, die dem Hirsauer Reformkreis zuzurechnen sind. Es wird bewusst
nicht die Frage gestellt, o b das neue Konverseninstitut eine Auswirkung ge-
habt hat: Es ist unzweifelhaft, dass Konvente, denen Laien in verstärktem
Maße zuströmten, einen Weg finden mussten, diesen Laien auch spirituelle
Nahrung zu bieten und sich seelsorglich um diese Menschen zu bemühen. Für
die Fragestellung nach der Art und Weise der Laienseelsorge ist es nicht rele-
vant, dass neben dem neuen Konverseninstitut das alte weiter fortbestand
oder dass es neben den illiteraten Laienbrüdern auch solche gab, die als literati
im chorus minor an der Liturgie mitwirken durften. Genauso wenig soll die
Problematik in den Blick genommen werden, inwieweit der Übergang vom
Laienbruder zum Laienmönch und vom Laienmönch zum Vollmönch mög-
lich war.9 Im Folgenden interessieren vielmehr insgesamt die illiterati, die es
freilich bereits in den Benediktinerklöstern der alten Observanz gegeben
hatte, die aber in der Folge der Reformen Wilhelms von Hirsau nun sowohl
als fratres laici als auch als monachi laici in viel größerer Zahl in die Klöster
drängten. Hierunter befanden sich laut Aussage unserer Quellen viele Ade-
lige.10 Selbst wenn die Quellen in Bezug auf den Anteil des Adels an dieser
religiösen Erneuerungsbewegung übertreiben, dürften wir es doch mit einer
bedeutsamen Zahl von Menschen zu tun haben, die zwar aus Sorge um ihr
Seelenheil bereit waren, vor allem durch körperliche Arbeit einen besonderen
und ausschließlichen Einsatz für den Konvent zu leisten, aber gleichzeitig mit
großer Wahrscheinlichkeit auch hohe Ansprüche hinsichtlich ihrer seelsorgli-
chen Betreuung stellten.
Eine ,geistliche Heimstatt' zu sein für Menschen, die sich „dauerhaft, ohne
Kleriker zu sein mit dem Kloster verbinden wollten“11, konnte nur gelingen,
wenn man diesen Menschen das bot, was sie suchten. In der historischen For-
schung erscheint es fraglos, dass „die ebenso in Gehorsam, Keuschheit und As-
kese lebenden Laienbrüder alles, wessen sie zum Heil ihrer Seelen bedurften“,

9 Eine ausführliche Darstellung zu der komplizierten Unterteilung der Klostergemeinschaft
bei den Hirsauern findet sich bei Rolf Berger, Hirsauer Baukunst - ihre Grundlagen, Ge-
schichte und Bedeutung. 3 Bde., Witterschlick/Bonn 1995, hier Bd. I, S. 122-131.
10 Ein wichtiges Zeugnis für die Wirkung der Hirsauer auf die adlig-laikale Welt stellt die ,Vita
Paulinaec des Sigeboto von Paulinzella dar, die nach 1133 entstand. Die Darstellung des hei-
ligmäßigen Lebens der Klostergründerin von Paulinzella, die aus einer reichsministeriali-
schen Familie stammte, sollte das Bestreben, Paulinzella zu einer Wallfahrtskirche zu ma-
chen, unterstützen. Die Vita ist stark aus dem „Geist des Reformmönchtums“ stilisiert:
Franz Josef Worstbrock, ,Sigboto von Paulinzella OSB‘, in: Kurt Ruh et al. (Hgg.), Die
deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Berlin/New York 1978-2008, 14 Bde.,
Bd. 8 (1992), Sp. 1232.
11 Berger, Hirsauer Baukunst (wie Anm. 9), S. 129.
 
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