280 I Matthias M. Tischler
überwinden die letzten inneren mentalen und religiösen Barrieren des Abtes von
Cluny. Petrus’ einzige Reise auf die Iberische Halbinsel bringt ihn in Kontakt
mit einer Gruppe von professionellen Übersetzern in Nordspanien, die nun
erstmals einen Zugang zu arabischen (authentischen) Traditionen zu Muhammad
und den Muslimen ermöglichen und damit die Voraussetzungen zu einem diffe-
renzierten Bild vom Islam schaffen.
Clunys Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Islam reicht jedoch
mindestens bis zur weithin beachteten Gefangennahme des Abtes Maiolus
(954-994) durch Muslime aus dem provenzalischen La Garde-Freinet zurück
(Sommer 972).14 Doch der Weg der burgundischen Abtei von diesem identitäts-
stiftenden Schlüsselereignis einer Kurzbegegnung mit Anhängern des Islam zu
einer intensiven intellektuellen Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten
Muhammads war lang und beschwerlich, da ältere, allein auf die Identitätsbil-
dung der eigenen Gemeinschaft gerichtete Umgangsformen mit den Muslimen
erst als unfruchtbar erkannt und überwunden werden mussten. Zu nennen sind
hier die wiederholte, mit jeweils neuen Akzentuierungen vorgenommene, bis
ins 12. Jahrhundert reichende Verarbeitung der Majolus-Episode in der clunia-
zensischen Abtshagiographie15 und Historiographie16 sowie der Einsatz einer
apud inimicos Christi ad Christum confugerem“, hg. von Jacques Monfrin, Historia calam-
itatum. Texte critique avec une introduction (Bibliotheque des textes philosophiques), Paris
1959 (u. ö.), S. 63-109, hier S. 97 Z. 1221 - S. 98 Z. 1231? Allerdings darf man nicht wie Kritz-
eck (S. 206f.) von einem Einfluss des Petrus Venerabilis auf die in Abaelards Collationes ent-
wickelten Position des .heidnischen (arabischen) Philosophen’ ausgehen, da er mit der älteren
Forschung irrtümlicherweise eine Endredaktion („revision finale“) seiner Collationes in
Cluny annahm.
14 Scott G. Bruce, An abbot between two cultures. Maiolus of Cluny considers the Muslims of
La Garde-Freinet, in: Early Medieval Europe 15, 2007, S. 426-440; Ders., Cluny and the
Muslims of la Garde-Freinet. Hagiography and the problem of Islam in medieval Europe,
Ithaca (NY.)/London 2015. Siehe meine Besprechung der zuletzt genannten Monographie in:
Journal of Transcultural Medieval Studies 4, 2017, S. 279-283.
15 Das Thema wird von allen Maiolus-Biographen behandelt, also Anonymus von Pavia, Vita
brevior c. 7-13 (ca. 999), Syrus, Vita (II) Maioli III 1-9 (um 1000), Odilo, Vita (III) Maioli,
Appendix (1031 oder 1033) und Nalgod, Vita (IV) Maioli c. 3 (um 1125): Dominique Iogna-
Prat, Agm immaculati. Recherches sur les sources hagiographiques relatives ä saint Maieul
de Cluny (954-994), Paris 1988, S. 20-29, 11-20, 34-40 und 29-34; Patrick Henriet, Le
dossier hagiographie de saint Maieul de Cluny. A propos d’un ouvrage recent, in: Le Moyen
Age 97, 1991, S. 79-81; Dominique Iogna-Prat, Panorama de l’hagiographie abbatiale clu-
nisienne (v. 940-v. 1140), in: Martin Heinzelmann (Hg.), Manuscrits hagiographiques et
travail des hagiographes (Beihefte der Francia 24), Sigmaringen 1992, S. 77-118 [überarbeitet
wieder abgedruckt unter dem Titel Panorama de l’hagiographie abbatiale clunisienne, in:
Ders. (Hg.), Etudes clunisiennes (Les medievistes frangais 2), Paris 2002 (u. ö.), S. 35-73],
hier S. 87-89, 104,106-108 und S. 112 mit Anm. 168; Ders., Ordonner et exclure (wie Anm. 9),
S. 326; Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter (Quellen
und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8-10, 12, 1-2 und 15),
überwinden die letzten inneren mentalen und religiösen Barrieren des Abtes von
Cluny. Petrus’ einzige Reise auf die Iberische Halbinsel bringt ihn in Kontakt
mit einer Gruppe von professionellen Übersetzern in Nordspanien, die nun
erstmals einen Zugang zu arabischen (authentischen) Traditionen zu Muhammad
und den Muslimen ermöglichen und damit die Voraussetzungen zu einem diffe-
renzierten Bild vom Islam schaffen.
Clunys Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Islam reicht jedoch
mindestens bis zur weithin beachteten Gefangennahme des Abtes Maiolus
(954-994) durch Muslime aus dem provenzalischen La Garde-Freinet zurück
(Sommer 972).14 Doch der Weg der burgundischen Abtei von diesem identitäts-
stiftenden Schlüsselereignis einer Kurzbegegnung mit Anhängern des Islam zu
einer intensiven intellektuellen Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten
Muhammads war lang und beschwerlich, da ältere, allein auf die Identitätsbil-
dung der eigenen Gemeinschaft gerichtete Umgangsformen mit den Muslimen
erst als unfruchtbar erkannt und überwunden werden mussten. Zu nennen sind
hier die wiederholte, mit jeweils neuen Akzentuierungen vorgenommene, bis
ins 12. Jahrhundert reichende Verarbeitung der Majolus-Episode in der clunia-
zensischen Abtshagiographie15 und Historiographie16 sowie der Einsatz einer
apud inimicos Christi ad Christum confugerem“, hg. von Jacques Monfrin, Historia calam-
itatum. Texte critique avec une introduction (Bibliotheque des textes philosophiques), Paris
1959 (u. ö.), S. 63-109, hier S. 97 Z. 1221 - S. 98 Z. 1231? Allerdings darf man nicht wie Kritz-
eck (S. 206f.) von einem Einfluss des Petrus Venerabilis auf die in Abaelards Collationes ent-
wickelten Position des .heidnischen (arabischen) Philosophen’ ausgehen, da er mit der älteren
Forschung irrtümlicherweise eine Endredaktion („revision finale“) seiner Collationes in
Cluny annahm.
14 Scott G. Bruce, An abbot between two cultures. Maiolus of Cluny considers the Muslims of
La Garde-Freinet, in: Early Medieval Europe 15, 2007, S. 426-440; Ders., Cluny and the
Muslims of la Garde-Freinet. Hagiography and the problem of Islam in medieval Europe,
Ithaca (NY.)/London 2015. Siehe meine Besprechung der zuletzt genannten Monographie in:
Journal of Transcultural Medieval Studies 4, 2017, S. 279-283.
15 Das Thema wird von allen Maiolus-Biographen behandelt, also Anonymus von Pavia, Vita
brevior c. 7-13 (ca. 999), Syrus, Vita (II) Maioli III 1-9 (um 1000), Odilo, Vita (III) Maioli,
Appendix (1031 oder 1033) und Nalgod, Vita (IV) Maioli c. 3 (um 1125): Dominique Iogna-
Prat, Agm immaculati. Recherches sur les sources hagiographiques relatives ä saint Maieul
de Cluny (954-994), Paris 1988, S. 20-29, 11-20, 34-40 und 29-34; Patrick Henriet, Le
dossier hagiographie de saint Maieul de Cluny. A propos d’un ouvrage recent, in: Le Moyen
Age 97, 1991, S. 79-81; Dominique Iogna-Prat, Panorama de l’hagiographie abbatiale clu-
nisienne (v. 940-v. 1140), in: Martin Heinzelmann (Hg.), Manuscrits hagiographiques et
travail des hagiographes (Beihefte der Francia 24), Sigmaringen 1992, S. 77-118 [überarbeitet
wieder abgedruckt unter dem Titel Panorama de l’hagiographie abbatiale clunisienne, in:
Ders. (Hg.), Etudes clunisiennes (Les medievistes frangais 2), Paris 2002 (u. ö.), S. 35-73],
hier S. 87-89, 104,106-108 und S. 112 mit Anm. 168; Ders., Ordonner et exclure (wie Anm. 9),
S. 326; Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter (Quellen
und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8-10, 12, 1-2 und 15),