Warum Clunys Islamprojekt zunächst scheitern musste I 295
den Islam überwindende Missionsstrategie zu entwickeln. So dürfte es kein
Zufall sein, dass mit Ramon Llull em charismatisches, mediterranes Individual-
phänomen in der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Barceloniner Or-
densgeneral Ramon von Penyafort, Martis Förderer, die Kritik der Ineffizienz
des dominikanischen Ansatzes zum Anlass eines eigenen Lebens- und Missions-
entwurfes nehmen wird.63 Dieser Entwurf stand zwischen der professionalisier-
ten sprachlichen, philosophischen und theologischen Schulung der dominikani-
schen Studienhäuser und der Universitäten und dem religiösen Charisma eines
Franziskus von Assisi und verdankte sich einer dritten vermittelnden Position, die
wir bereits bei dem englischen Franziskaner Roger Bacon angelegt finden. In Mi-
ramar auf Mallorca gründete Llull das Modell einer geistlichen Bildungsgemein-
schaft (1276), in der er dem Laienstatus, dem Autodidaktentum und der massiven
Vermittlung gelehrten Wissens in seiner Muttersprache Katalanisch eine nie dage-
wesene Bedeutung beimessen sollte64 und für die er das literarische Glaubensge-
spräch als Mittel der didaktischen Umsetzung seiner Ars nun unter Einbeziehung
der eigenständigen Positionen verschiedener christlicher Denominationen, aber
auch des Muslimen und des Heiden (Mongolen) wiederbelebte und damit in ihrer
Komplexität steigerte.65 Doch auch Llulls Versuch der Entklerikalisierung der (Ju-
den- und) Muslimenmission war letztlich zum Scheitern verurteilt.
Ein innovativer Reformversuch kam auch aus dem Dominikanerorden selbst
und stammte kaum zufällig von einem mindestens geistigen Schüler Ramon
Martis:66 Der orienterfahrene italienische Dominikaner Riccoldo da Monte di
Croce schrieb als reifes Spätwerk seinen Traktat Contra legem Sarracenorum als
de philosophie medievale 55, 2013, S. 45-56; Marc e. a., S. Thomae Aquinatis Doctoris An-
gelici Liber de Verdate Catholicae Fidei, Bd. 1 (wie Anm. 58), S. 491-534 und 581f.
63 Matthias M. Tischler, Die Dominikanermission unter den Muslimen im 13. Jahrhundert.
Warum der mallorquinische Laie, Universalgelehrte und Missionar Ramon Llull zum Fun-
damentalkritiker des Dominikanerordens wurde, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft
und Religionswissenschaft 103, 1-2, 2019, S. 34-52.
64 Mark D. Johnston, The evangelical rhetoric of Ramon Llull. Lay learning and piety in the
Christian West around 1300, Oxford 1999; Lola Badia [Pämies] e. a., Ramon Llull as a ver-
nacular writer. Communicating a new kind of knowledge (Tämesis. Serie A: Monografias
354), Woodbridge 2016.
65 Roger Friedlein, Der Dialog bei Ramon Llull. Literarische Gestaltung als apologetische
Strategie (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 318), Tübingen 2004. Zur älte-
ren Tradition von dialogischen Lehrformen und -texten in der monastischen Welt vgl. Mirko
Breitenstein, ,1ns Gespräch gebracht'. Der Dialog als Prinzip monastischer Unterweisung,
in: Steven Vanderputten (Hg.), Understanding monastic practices of oral communication
(Western Europe, tenth - thirteenth centuries) (Utrecht Studies in Medieval Literacy 21),
Turnhout 2011, S. 205-229.
66 Bislang ist kein explizites Zeugnis einer unmittelbaren Schülerschaft Riccoldos bekannt ge-
worden, die chronologisch möglich ist.
den Islam überwindende Missionsstrategie zu entwickeln. So dürfte es kein
Zufall sein, dass mit Ramon Llull em charismatisches, mediterranes Individual-
phänomen in der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Barceloniner Or-
densgeneral Ramon von Penyafort, Martis Förderer, die Kritik der Ineffizienz
des dominikanischen Ansatzes zum Anlass eines eigenen Lebens- und Missions-
entwurfes nehmen wird.63 Dieser Entwurf stand zwischen der professionalisier-
ten sprachlichen, philosophischen und theologischen Schulung der dominikani-
schen Studienhäuser und der Universitäten und dem religiösen Charisma eines
Franziskus von Assisi und verdankte sich einer dritten vermittelnden Position, die
wir bereits bei dem englischen Franziskaner Roger Bacon angelegt finden. In Mi-
ramar auf Mallorca gründete Llull das Modell einer geistlichen Bildungsgemein-
schaft (1276), in der er dem Laienstatus, dem Autodidaktentum und der massiven
Vermittlung gelehrten Wissens in seiner Muttersprache Katalanisch eine nie dage-
wesene Bedeutung beimessen sollte64 und für die er das literarische Glaubensge-
spräch als Mittel der didaktischen Umsetzung seiner Ars nun unter Einbeziehung
der eigenständigen Positionen verschiedener christlicher Denominationen, aber
auch des Muslimen und des Heiden (Mongolen) wiederbelebte und damit in ihrer
Komplexität steigerte.65 Doch auch Llulls Versuch der Entklerikalisierung der (Ju-
den- und) Muslimenmission war letztlich zum Scheitern verurteilt.
Ein innovativer Reformversuch kam auch aus dem Dominikanerorden selbst
und stammte kaum zufällig von einem mindestens geistigen Schüler Ramon
Martis:66 Der orienterfahrene italienische Dominikaner Riccoldo da Monte di
Croce schrieb als reifes Spätwerk seinen Traktat Contra legem Sarracenorum als
de philosophie medievale 55, 2013, S. 45-56; Marc e. a., S. Thomae Aquinatis Doctoris An-
gelici Liber de Verdate Catholicae Fidei, Bd. 1 (wie Anm. 58), S. 491-534 und 581f.
63 Matthias M. Tischler, Die Dominikanermission unter den Muslimen im 13. Jahrhundert.
Warum der mallorquinische Laie, Universalgelehrte und Missionar Ramon Llull zum Fun-
damentalkritiker des Dominikanerordens wurde, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft
und Religionswissenschaft 103, 1-2, 2019, S. 34-52.
64 Mark D. Johnston, The evangelical rhetoric of Ramon Llull. Lay learning and piety in the
Christian West around 1300, Oxford 1999; Lola Badia [Pämies] e. a., Ramon Llull as a ver-
nacular writer. Communicating a new kind of knowledge (Tämesis. Serie A: Monografias
354), Woodbridge 2016.
65 Roger Friedlein, Der Dialog bei Ramon Llull. Literarische Gestaltung als apologetische
Strategie (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 318), Tübingen 2004. Zur älte-
ren Tradition von dialogischen Lehrformen und -texten in der monastischen Welt vgl. Mirko
Breitenstein, ,1ns Gespräch gebracht'. Der Dialog als Prinzip monastischer Unterweisung,
in: Steven Vanderputten (Hg.), Understanding monastic practices of oral communication
(Western Europe, tenth - thirteenth centuries) (Utrecht Studies in Medieval Literacy 21),
Turnhout 2011, S. 205-229.
66 Bislang ist kein explizites Zeugnis einer unmittelbaren Schülerschaft Riccoldos bekannt ge-
worden, die chronologisch möglich ist.