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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0090
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II.3. Die ideale Gemeinschaft

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Geschichte einer Grafentochter erzählt, die von Dämonen entführt und dabei unsicht-
bar sowie unberührbar (invisibilis et incontrectabilis) gemacht wird. Als ihr Bruder,
ein frommer Franziskaner, versucht, die Dämonen durch Festhalten der Schwester
abzuwehren, gelingt ihm dies nicht - die Schwester bleibt unwiederbringlich in den
Fängen der Dämonen. Invisibilis et incontrectabilis\ durch diesen dämonischen Zu-
griff wird das Mädchen ihrem sozialen Gefüge vollkommen entrissen. Weil niemand
sie mehr sehen oder berühren kann, verschwindet sie gänzlich aus der Realität des
Gemeinschaftsgefüges. Neu ist, dass sie auch durch das Bemühen des Bruders, der
als Minderbruder offenkundig ein vorbildliches Leben führt, nicht gerettet werden
kann; sein physisches Beharren kommt nicht gegen das überkörperliche und damit
überirdische Wirken der Dämonen an.207
Auf vergleichbare Weise, allerdings mit einem positiveren Ende, wird in BUA
11,57,20 grundlegendes Wissen, nämlich das um das menschliche Leben und sein
Ende, erschüttert. Thomas berichtet von einer jungen Frau, die nach einer Fieber-
krankheit für tot gehalten wird. Als ihr Geliebter von einer Reise zurückkehrt, trifft
er sie wieder und versteckt sie bei sich zuhause. Dem Vater des Mädchens, der keinen
Leichnam, sondern ein dämonisches Trugbild betrauert, entringt er zunächst eine
Heiratserlaubnis und präsentiert ihrer Familie dann die lebendige Frau. Durch Lüge
und Betrug der Dämonen wird in dieser Episode eine ganze Familie in dem Glauben
gelassen, ein Mitglied verloren zu haben. Und obwohl die Familie den Tod annimmt
und als Bestandteil des menschlichen Lebens akzeptiert, wird ihr sogar diese basale
Gewissheit genommen.
Die im Schlusskapitel des „Bienenbuchs“ evozierte Unsicherheit kommt beson-
ders in jenen Wundergeschichten zum Ausdruck, die ein vollkommen überraschen-
des Ende haben. Dazu gehört BUA 11,57,32, in dem Thomas von Cantimpre von ei-
nem blinden Kuhhirten berichtet, der trotz mangelnder Sehkraft jedes Tier in Bezug
auf Farbe und Wuchs unterscheiden kann. Die in diesem Talent angedeutete Aus-
zeichnung Gottes wird jäh umgedeutet, als ein Bischof den Kuhhirten nach seiner
Firmung fragt. Als der Hirte zugibt, dieses Sakrament nie erhalten zu haben und so-
gleich gesegnet sowie gefirmt wird, verliert er die Fähigkeit zur Unterscheidung sei-
ner Tiere - schließlich war sie, so bilanziert Thomas lakonisch, „durch Werk und
Walten der Dämonen zustandegekommen.“208
Anders als in früheren Kapiteln, in denen dämonische oder teuflische Einflüsse
vor allem auf die Menschen einwirken, deren Lebensführung von allgemeinen
207 Zur Bedeutung von physischen Berührungen bei visionären oder mystischen Erlebnissen s. Din-
zelbacher, Körperlichkeit, Dinzelbacher, Angst, S. 64-66, Farina, Tactility; zu methodischen
Überlegungen s. Betancourt, Sight.
208 Thom. Cantimpr. BUA 11,57,32: Nec mora episcopus confessum confirmavit cecum, et mox ab
eo vaccarum discretio est sublata, quoniam demonum operatione et ministerio hoc fiebat. Über-
legungen zum Zusammenhang von Blindheit und göttlicher Auszeichnung sowie Heiligkeit bei
Hawkins, Blindness.
 
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