II.4. Eine Region erzählen: Personen, Orte und Räume im „Bienenbuch'
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durch die Einbettung in eine höhere Ordnung ab. Am Ende jedoch überwiegt die
Sehnsucht nach Klarheit und Erlösung, die er für sich als Autor und für seine (Leser-)
Gemeinschaft von Gott erbittet.212
II.4. Eine Region erzählen: Personen, Orte und Räume
im „Bienenbuch“
Sowohl in chronologischer als auch in werkshistorischer und textueller Hinsicht ist
das „Bienenbuch“ als Spätwerk des Thomas von Cantimpre zu lesen. So ist es einer-
seits zeitlich sein als letztes komponiertes und abgeschlossenes Werk. Andererseits
haben aber auch Thomas’ Lebensweg als Geistlicher, Ordensbruder und Seelsorger
und die damit verbundenen geographischen Lebensstationen genau wie die themati-
sche Vielfalt seines vorherigen Oeuvres erkennbare Spuren im Bonum universale de
apibus hinterlassen. An mehreren Stellen des „Bienenbuchs“ verweist Thomas auf
seine Tätigkeit als Beichtvater oder berichtet von Eindrücken, die er auf seinen Rei-
sen als Predigerbruder sammeln konnte (vgl. hierzu Kapitel I). Es entspricht auch
diesen Erfahrungen, dass den inhaltlichen Schwerpunkt des Werkes Geschichten
über die christliche Alltagswelt sowie die Organisation religiösen und kirchlichen
Lebens im mittelalterlichen Frankreich, Brabant, Flandern sowie Deutschland bil-
den. Auch zeitlich sind die berichteten Episoden vorrangig in der Lebensgegenwart
des Autors oder derjenigen der unmittelbar vorausgehenden Generation zu verorten,
das heißt ca. zwischen 1180 und 1260/70.
Eine nähere Untersuchung der im „Bienenbuch“ behandelten Personen, Orte und
Räume ist vor diesem Hintergrund besonderer Anreiz und Herausforderung zugleich.
Immerhin hatte Thomas von Cantimpre in seinem Widmungsbrief an Humbert de
Romanis in angemessen topischer Bescheidenheit betont, durch die Verschleierung
von Namensangaben der Verärgerung lebender Zeitgenossen vorbeugen zu wollen.
Es gehe ihm, so argumentierte er, allein um die vorbildhafte Funktion der zusam-
mengetragenen Geschichten und ihren didaktischen Gehalt, nicht aber um die Bloß-
stellung der Betroffenen.213 Auch deshalb bleibt die Identität von Gesprächspartnern
212 Thom. Cantimpr. BUA 11,57,69: Et nunc quoniam fallacias demonum falsas ex magnaparte detex-
imus, per quas vexari apes fidelium consueverunt, huic operi nostro finem imponimus [...] Et rogo,
ul si aliquid in hoc labore vel aliis umquam meruerim, illum tanquam meparticipem faciat Ihesus
Christus Dominus noster, qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat Deus per omnia secula
seculorum. Amen.
213 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Quibus etiam capitulis secundum materiam exempla aptata et ap-
propriata coniunxi, que nostris temporibus vel prope nostra tempora contigerunt. Et ego quidem
in pluribus hoc vitavi, ul terras, civitates vel opida nominata non ponerem, in quibus rerum gesta
patrata sunt: eo quod ipsis adhuc viventibus etfugientibus hunc glorie favorem verecundiam face-
re formidarem. Et utique in hoc nihil imitari volenti deperit vel legenti.
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durch die Einbettung in eine höhere Ordnung ab. Am Ende jedoch überwiegt die
Sehnsucht nach Klarheit und Erlösung, die er für sich als Autor und für seine (Leser-)
Gemeinschaft von Gott erbittet.212
II.4. Eine Region erzählen: Personen, Orte und Räume
im „Bienenbuch“
Sowohl in chronologischer als auch in werkshistorischer und textueller Hinsicht ist
das „Bienenbuch“ als Spätwerk des Thomas von Cantimpre zu lesen. So ist es einer-
seits zeitlich sein als letztes komponiertes und abgeschlossenes Werk. Andererseits
haben aber auch Thomas’ Lebensweg als Geistlicher, Ordensbruder und Seelsorger
und die damit verbundenen geographischen Lebensstationen genau wie die themati-
sche Vielfalt seines vorherigen Oeuvres erkennbare Spuren im Bonum universale de
apibus hinterlassen. An mehreren Stellen des „Bienenbuchs“ verweist Thomas auf
seine Tätigkeit als Beichtvater oder berichtet von Eindrücken, die er auf seinen Rei-
sen als Predigerbruder sammeln konnte (vgl. hierzu Kapitel I). Es entspricht auch
diesen Erfahrungen, dass den inhaltlichen Schwerpunkt des Werkes Geschichten
über die christliche Alltagswelt sowie die Organisation religiösen und kirchlichen
Lebens im mittelalterlichen Frankreich, Brabant, Flandern sowie Deutschland bil-
den. Auch zeitlich sind die berichteten Episoden vorrangig in der Lebensgegenwart
des Autors oder derjenigen der unmittelbar vorausgehenden Generation zu verorten,
das heißt ca. zwischen 1180 und 1260/70.
Eine nähere Untersuchung der im „Bienenbuch“ behandelten Personen, Orte und
Räume ist vor diesem Hintergrund besonderer Anreiz und Herausforderung zugleich.
Immerhin hatte Thomas von Cantimpre in seinem Widmungsbrief an Humbert de
Romanis in angemessen topischer Bescheidenheit betont, durch die Verschleierung
von Namensangaben der Verärgerung lebender Zeitgenossen vorbeugen zu wollen.
Es gehe ihm, so argumentierte er, allein um die vorbildhafte Funktion der zusam-
mengetragenen Geschichten und ihren didaktischen Gehalt, nicht aber um die Bloß-
stellung der Betroffenen.213 Auch deshalb bleibt die Identität von Gesprächspartnern
212 Thom. Cantimpr. BUA 11,57,69: Et nunc quoniam fallacias demonum falsas ex magnaparte detex-
imus, per quas vexari apes fidelium consueverunt, huic operi nostro finem imponimus [...] Et rogo,
ul si aliquid in hoc labore vel aliis umquam meruerim, illum tanquam meparticipem faciat Ihesus
Christus Dominus noster, qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat Deus per omnia secula
seculorum. Amen.
213 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Quibus etiam capitulis secundum materiam exempla aptata et ap-
propriata coniunxi, que nostris temporibus vel prope nostra tempora contigerunt. Et ego quidem
in pluribus hoc vitavi, ul terras, civitates vel opida nominata non ponerem, in quibus rerum gesta
patrata sunt: eo quod ipsis adhuc viventibus etfugientibus hunc glorie favorem verecundiam face-
re formidarem. Et utique in hoc nihil imitari volenti deperit vel legenti.