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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0129
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III. Die Rezeptionsgeschichte

„Die Brüder sollen wissen, dass der Uber de apibus, den es selten gibt, lange Zeit
nicht von uns zum Abschreiben beschafft werden konnte [...] Schließlich besorgte
uns auf liebevolles Bitten von Bruder Leonhard der Herr Magister Martin von
Leibitz, Abt des Wiener Schottenstifts, Gott hab ihn selig, ein recht verborgenes
Exemplar.“90
Bei dem hochgelobten Besitzer der Kopiervorlage handelt es sich um Martin von
Leibitz (ca. 1400-1464), einen Wiener Gelehrten und Benediktiner, der 1431 in das
Wiener Schottenstift eintrat, dort bereits 1435 zum Prior gewählt wurde und von
1446 bis 1460/61 ebenda als Abt wirkte.91 Unter der Ägide Martins von Leibitz wurde
die bereits umfangreiche Bibliothek des Schottenstifts maßgeblich erweitert. Martin
schrieb nicht nur verschiedene Codices selbst, sondern sorgte auch für den Erwerb
weiterer Schriften und ließ für die Bestände sogar einen eigenen Bibliotheksraum
bauen. Überdies wurden die Bestände des Schottenstifts im 15. Jahrhundert durch
Schenkungen verschiedener Wiener Professoren vergrößert.92 Dass das Schottenstift
oder Martin von Leibitz selbst ein Exemplar des „Bienenbuchs“ besaßen, ist durch
eine weitere Quelle belegt - durch Martins eigenen Traktat mit dem Titel Senatorium
nämlich, der sich explizit an der Didaktik des „Bienenbuchs“ orientierte, wie noch
näher zu zeigen sein wird (s. Kapitel III.3.5, „Biene und Ameisen“). Durch seine
Leihgabe sicherte Martin sich nicht nur die Dankbarkeit der Wiener Dominikaner,
sondern offenbar auch eine gewisse Aufmerksamkeit in deren Kreisen. Wie nämlich
die reichen Anmerkungen im gesamten Sammelcodex nahelegen, in dem auch das
„Bienenbuch“ ausschnittsweise enthalten ist, wurde die Handschrift vielfach ver-
wendet - mutmaßlich zu Lesungen oder zu Studienzwecken. Der dankbare Hinweis
auf Martin von Leibitz als Leihgeber ist dabei so prominent am Ende des Textes
platziert, dass ihn zeitgenössische Leser kaum übersehen haben konnten.
Bemerkenswert an dem Wiener Beispiel sind vor allem zwei Aspekte: So hatten
ausgerechnet die Dominikaner, immerhin der Hausorden des Thomas von Cantimpre,
dessen Schrift nicht bekommen können - die zeitgenössische Charakterisierung als
„seltenes Werk“ (rarus exi stens) steht der beachtlichen handschriftlichen Überlie-
ferung gegenüber.93 Darüber hinaus zeigt dieser Fall, dass in einem städtischen oder
90 Wien, Österreichische Nationalbibliothek cod. 4149, fol. 54v: Sciantfratres carissimi Quod cum li-
ber de apibus rarus existens diu nonpoterat a nobis obtineri, ad transcribendumpropter quendam
etc. tandem tarnen ad instantiam affectuosam fratris Leonardi etc. Dominus Magister Martinus
abbas Scotorum benedicte memorie procuravit nobis exemplar secrecius Et quia Uber edificatori-
us est multum, debemus non esse difficiles ad communicandum, sicut nobis fieri volumus semper.
Feliciter in domino semper. Auf fol. 20r befindet sich derselbe Text am unteren Seitenende, wurde
jedoch getilgt.
91 Tersch, Selbstzeugnisse, S. 52-65.
92 Zur Bibliothek des Schottenstifts s. Rapf, Die Bibliothek, bes. S. 8-10.
93 Ein vergleichbarer Vermerk findet sich interessanterweise im Katalog der Handschriften des Prä-
monstratenserstiftes Schlägl: Dort heißt es zu Codex Cpl. 214, fol. 331-333, die dort befindlichen
 
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