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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0156
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III.3. Der Umgang mit Buch und Text

155

Predigtsammlung aufnahm. Ebenso denkbar wie die Übernahme dieses Exempels
aus einer Kopie des „Bienenbuchs“ ist mit Blick auf die bisherigen Ausführungen
deshalb die Übernahme aus einer Sammelhandschrift oder einer Kompilation von
unterschiedlichen Exempeltexten.184 Dass Johannes Pauli an dieser Stelle jedoch, wie
auch in anderen Passagen seiner Sammlung, explizit auf den Werktitel verwies,
spricht indes für die Verwendung einer weitgehend vollständigen Textvorlage.185
Das „Bienenbuch“ als Strukturvorlage
Neben den programmatischen Exempeln des „Bienenbuchs“, die sich unabhängig
vom Gesamtwerk für ganz unterschiedliche Gebrauchskontexte nutzen ließen, sind
verschiedene Beispiele dafür belegt, dass spätmittelalterliche Rezipienten das Werk
als Autorität oder bedeutende Referenz für bestimmte Themen auffassten. Besonde-
ren Anklang fand dabei die von Thomas von Cantimpre verwendete Bienenallegorie:
sie wurde in verschiedenen Werken entweder thematisch oder strukturell, also mit
Blick auf ihre didaktisch-kommunikative Funktion, aufgegriffen.
Jede Zeit hat ihre Hierarchie: Stachellosigkeit als Vorbild
Eine interessante thematische Anlehnung an die Bienen-Symbolik findet sich im
Werk des böhmischen Reformers Jan Hus (ca. 1370-1415). 1410 wurde er mit der
Übernahme der OwoJ/z&eZ-Disputation betraut, die jährlich an der Prager Universität
stattfand. Inhaltlich zeugt die Textvorlage für die Disputation, die im Januar 1411
stattfand, von den Bemühungen des Jan Hus, die Anerkennung der von einigen Pra-
ger Magistern verfemten Schriften John Wyclifs zu erreichen.186
Der Aufbau des Textes entspricht der Form der Veranstaltung, denn er enthält die
zu diskutierenden Fragen und daran anschließend die Argumentation für ihre Beant-
wortung. Jeden Magister, der bei der Disputatio sprechen sollte, verglich Hus außer-
dem mit einem Philosophen der Antike. In einer quaestio setzte er sich mit der Posi-
tion des Rektors an der Universität auseinander: „Warum“, so heißt es darin, „hat der
Rektor der Bienen, wie es der Autor im Buch ,Apiarius‘ ausdrückt, keinen Stachel
und isst mit den Bienen, obwohl er nicht arbeitet?“ In der folgenden Erörterung be-
handelt ein Magister Petrus de Policz alias Platon das hierarchische Verhältnis von
184 Auch in Paulis Sammlung finden sich Textstellen, die inhaltlich recht eindeutig Geschichten des
„Bienenbuchs“ zuzuordnen sind, nicht aber als solche gekennzeichnet wurden. S. beispielswei-
se Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, hg. von Österley, Nr. 454, S. 270-271, wo wie in BUA
1,20,8 von der Gesichtsschwärzung eines Priesters durch den Teufel berichtet wird. Immerhin wird
mittels eines Querverweises die gemeinsame Quelle beider Exempel angedeutet, s. ebd., Nr. 548,
S. 313: Da oben von denprelaten stot auch ein semlich exempel.
185 Zu den von Pauli verwendeten Quellen und den Verweisen beispielsweise auf Petrarca oder Ja-
kob von Vitry s. Classen, Deutsche Predigtliteratur, S. 216-218 sowie Pearsall, Johannes Pauli,
S. 197.
186 S. hierzu Soukup, Jan Hus, S. 81-92.
 
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