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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0240
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BUA 11,1

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platziert worden war, wurde der besagte Bruder Johannes zu den Füßen gestellt. Und
plötzlich geschah eine wunderbare und unbegreifliche Umkehrung, dass nämlich der
Bruder selbst am Kopf, der Kardinal aber zu den Füßen zu stehen schien. Aber der
Kardinal wurde erneut am Kopf aufgestellt, der Bruder an den Füßen. Und
wiederum geschah plötzlich zum Erstaunen aller die Umkehrung. Wer aber zweifelt 5
bei diesem Geschehen daran, dass die Verdienste des heiligen Mannes dem Urteil
Gottes gefielen, der ihn dem Kardinal vorzog, indem er ihn am würdigeren Teil des
heiligen Körpers aufstellte?
[10] Sein bekanntestes Wunder wurde im Jahre der Auferstehung des Henn 1231
überliefert. Im Haus eines Gastgebers, der den heiligen Mann aufzunehmen pflegte, 10
gab es eine Elster, die menschliche Worte gelernt hatte und es schätzte, mit dem
heiligen Mann zu sprechen. Aber ein gewisser Diener im Haus tötete und verspeiste
die Elster heimlich. Nachdem der heilige Mann also die Herberge betreten hatte, rief
er zur Elster: „Wo bist du jetzt, meine Freundin, wo bist du?“ Ohne Zögern
antwortete sie aus dem Bauch dessen, der sie verspeist hatte: „Ich bin hier, ich bin 15
hier!“ Mit der Bewunderung aller verbreitete sich die Geschichte, Leute liefen
zusammen und die Elster sprach für viele weitere Tage aus dem Bauch dessen, der
sie verspeist hatte.
[11] Was soll ich jetzt auch noch über einen gewissen Predigerbruder, Petrus, in
Spanien sagen,15 durch dessen Verdienste eine Frau vom drei Tage währenden Tod 20
auferstand. Es gab einen Kleriker, einen Receptor der Brüder, der eine trunksüchtige
Ehefrau hatte, durch die er häufiger belastet wurde. Es geschah aber, dass sie eines
Morgens tot aufgefunden wurde, und ihrem Mann wurde vorgeworfen, sie am
Abend erwürgt zu haben. Er wurde also aufgegriffen, lür drei Tage festgehalten und
schließlich zum Tode verurteilt. Es wurde mm ein Graben in der Erde gemacht und 25
der Mann lebendig unten hinein, seine tote Frau dagegen obenauf gelegt, gemäß der
Gesetze ihrer Heimat. Der Mann aber sagte, während alle zuhörten: „O Bruder
Petrus, der du mir, als du zuletzt bei mir warst, versprochen hast, zu tim, was ich
verlange, stehe mir nun bei deinen Verdiensten bei, denn ich bin absolut unschuldig
verurteilt worden und bin sicher, dass du dasselbe zu bewirken vermagst, ob 30
abwesend oder anwesend.“ O wunderbares Ereignis! Bald richtete sich die tote Frau
mit geöffneten Augen auf und sagte, während alle zuhörten: „Durch das Gebet von
Bruder Peüus bin ich ins Leben zurückgekehrt, um die Unschuld meines Mannes zu
beweisen.“ Nachdem diese Worte gesprochen worden waren, wurde der Mann
freigesprochen und kehrte mit seiner Frau an der Hand nach Hause zurück. Derselbe 35

^Möglicherweise Petrus von Madrid OP (gest. 1244). S. zur Frage der Identifizierung D'ORS,
Petrus Hispanus OP, S. 280.
 
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