5
10
15
20
25
BUA 11,10
345
deren tugendhafter Predigt alles zu widerrufen, was auch immer sie implizit
oder explizit gegen die Orden der genannten Brüder ausgespien hatten.40
[24] Und es ist bemerkenswert, dass bevor der genannte Magister Albert,
der Bruder des Predigerordens,41 die Römische Kurie betreten hatte, der
genannte Magister Wilhelm42 mit seinen Komplizen auf wundersame Weise 5
den römischen Klerus und dazu auch das Volk für die Seite seiner
Verkehrtheit gewonnen und mit vielen Worten verführt hatte.43 Als aber der
Magister Albert nach den erwähnten Abhandlungen auf Verlangen des
Herrn Papsts und aller Kardinäle selbst das Evangelium des Johannes ganz
sowie die kanonischen Briefe gelesen hatte, indem er auf wunderbare und 10
ungekannte Weise über jeden Menschen etwas darlegte, wurde der Auftrag
der Prediger- und der Minderbrüder mit so großer Zustimmung aller
festgesetzt und beschlossen, dass alle ihre Feinde verstummten und
erschauderten; und die Anhänger der Wahrheit kamen mit höchstem Frieden
zur Ruhe und freuten sich. 15
[25] Was aber darüber einem gewissen heiligen Mann zwei Jahre vor dem
Beschluss offenbart wurde, wollen wir nun unzweifelhaft berichten. Ein
gewisser Propst eines Regularordens aus Bayern, ein heiliger und guter
Mann, war für einige Geschäfte, die er dort zu erledigen hatte, an die
Römische Kurie gekommen. Als er eines Tages in der Kirche des heiligen 20
Petrus in Rom betete, wurde er von einer Ekstase ergriffen. Er sah die ganze
Kirche voll von Schlangen, von deren furchtbarem Zischen nicht nur die
Kirche, sondern wahrlich ganz Rom erfüllt wurde. Und ohne Verzug sah
dieser heilige Mann, der vom Zischen der Schlangen heftig erschrocken
war, einen Mann im Habit des Predigerordens die Kirche betreten. Als er 25
den Unbekannten erstaunt anblickte, wurde ihm mit göttlichem Bescheid
eingegeben, dass dieser mit dem Namen Albert gerufen werde. Die
erwähnten Schlangen aber griffen ihn mit scharfem Zischen an und
umschlangen seine Füße und seine Brust, seine Arme und die Glieder des
mDie Unterwerfung bzw. Eidesleistung der Pariser Magister gegenüber Papst Alexander IV.
und den Kardinalen erfolgte im Oktober 1256 in Anagni, wenige Tage nach der Verurteilung
des Traktats Wilhelms von Saint-Amour. Die Verurteilten verloren Titel und Benefizien; Wilhelm
von Saint-Amour wurde überdies untersagt, ohne eine Sondererlaubnis seitens des Papstes noch
einmal zu unterrichten. S. hierzu MlETHKE, Papst, Ortsbischof und Universität, S. 79-80.
^Albertus Magnus (um 1200-1280), s. Anm. 38. | ^Wilhelm von Saint-Amour, s. Anm. 31.
^Diese Darstellung Thomas ’ ist nicht ganz schlüssig: Offenbar war Albertus Magnus zwar am
Verfahren in Anagni (nicht aber in Rom!) beteiligt, wenngleich Form und Anteil seiner
Beteiligung nicht klar sind. Wilhelm von Saint-Amour jedoch erschien erst nach der
Verurteilung seines Traktats vor dem Papst, ebenfalls in Anagni. S. hierzu MlETEIKE, Papst,
Ortsbischof und Universität, S. 78-79.
10
15
20
25
BUA 11,10
345
deren tugendhafter Predigt alles zu widerrufen, was auch immer sie implizit
oder explizit gegen die Orden der genannten Brüder ausgespien hatten.40
[24] Und es ist bemerkenswert, dass bevor der genannte Magister Albert,
der Bruder des Predigerordens,41 die Römische Kurie betreten hatte, der
genannte Magister Wilhelm42 mit seinen Komplizen auf wundersame Weise 5
den römischen Klerus und dazu auch das Volk für die Seite seiner
Verkehrtheit gewonnen und mit vielen Worten verführt hatte.43 Als aber der
Magister Albert nach den erwähnten Abhandlungen auf Verlangen des
Herrn Papsts und aller Kardinäle selbst das Evangelium des Johannes ganz
sowie die kanonischen Briefe gelesen hatte, indem er auf wunderbare und 10
ungekannte Weise über jeden Menschen etwas darlegte, wurde der Auftrag
der Prediger- und der Minderbrüder mit so großer Zustimmung aller
festgesetzt und beschlossen, dass alle ihre Feinde verstummten und
erschauderten; und die Anhänger der Wahrheit kamen mit höchstem Frieden
zur Ruhe und freuten sich. 15
[25] Was aber darüber einem gewissen heiligen Mann zwei Jahre vor dem
Beschluss offenbart wurde, wollen wir nun unzweifelhaft berichten. Ein
gewisser Propst eines Regularordens aus Bayern, ein heiliger und guter
Mann, war für einige Geschäfte, die er dort zu erledigen hatte, an die
Römische Kurie gekommen. Als er eines Tages in der Kirche des heiligen 20
Petrus in Rom betete, wurde er von einer Ekstase ergriffen. Er sah die ganze
Kirche voll von Schlangen, von deren furchtbarem Zischen nicht nur die
Kirche, sondern wahrlich ganz Rom erfüllt wurde. Und ohne Verzug sah
dieser heilige Mann, der vom Zischen der Schlangen heftig erschrocken
war, einen Mann im Habit des Predigerordens die Kirche betreten. Als er 25
den Unbekannten erstaunt anblickte, wurde ihm mit göttlichem Bescheid
eingegeben, dass dieser mit dem Namen Albert gerufen werde. Die
erwähnten Schlangen aber griffen ihn mit scharfem Zischen an und
umschlangen seine Füße und seine Brust, seine Arme und die Glieder des
mDie Unterwerfung bzw. Eidesleistung der Pariser Magister gegenüber Papst Alexander IV.
und den Kardinalen erfolgte im Oktober 1256 in Anagni, wenige Tage nach der Verurteilung
des Traktats Wilhelms von Saint-Amour. Die Verurteilten verloren Titel und Benefizien; Wilhelm
von Saint-Amour wurde überdies untersagt, ohne eine Sondererlaubnis seitens des Papstes noch
einmal zu unterrichten. S. hierzu MlETHKE, Papst, Ortsbischof und Universität, S. 79-80.
^Albertus Magnus (um 1200-1280), s. Anm. 38. | ^Wilhelm von Saint-Amour, s. Anm. 31.
^Diese Darstellung Thomas ’ ist nicht ganz schlüssig: Offenbar war Albertus Magnus zwar am
Verfahren in Anagni (nicht aber in Rom!) beteiligt, wenngleich Form und Anteil seiner
Beteiligung nicht klar sind. Wilhelm von Saint-Amour jedoch erschien erst nach der
Verurteilung seines Traktats vor dem Papst, ebenfalls in Anagni. S. hierzu MlETEIKE, Papst,
Ortsbischof und Universität, S. 78-79.