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glänzend an der Haut und völlig unversehrt an den Gliedern vor. Während
der Graf also erstaunt und lange bei sich unsicher war, wer dies wohl sei,
fragte er nach. Jener sagte: „Ich bin jener Lepröse, dein Freund und nun
durch die Barmherzigkeit Gottes gesund gemacht worden; und ,mir ist die
Krone der Gerechtigkeit1 übrig geblieben. Dir aber wird der gerechte 5
Richter an jenem Tag die Gegenleistung für deine Liebe wiedergeben, die
du mir und den anderen Armen äußerst würdevoll entgegenbringen
wolltest.“ Nachdem er dies gesagt hatte, küsste der Graf mit großer Freude
und Tränen, wie er es zuvor bei ihm und den anderen Leprösen immer getan
hatte, dessen Hand, sagte ihm auf Wiedersehen und folgte seinem Gefolge. 10
Als der Graf es erreichte, sagte aber ein gewisser Mann von den Rittern mit
einem Lächeln: „Ihr habt geglaubt euren leprösen Freund wie gewohnt zu
besuchen, als ob er noch lebe, aber vergeblich, weil er schon lange den Weg
allen Fleisches gegangen ist.“ Als der Graf dann zum ersten Mal begriff,
dass der Lepröse gestorben war, ließ er sich vorsichtig nichts anmerken, 15
überdachte aber nochmals, was er gesehen hatte, und antwortete: „Der
allmächtige und gnädige Gott hat sich seiner Seele erbarmt.“
[16] Lasst uns aber sehen, was die Philosophen über die Barmherzigkeit
gegenüber Armen denken. „Ein Mensch, der barmherzig gegenüber einem
anderen Menschen ist, denkt an sich selbst.“ „Und der Geizige ist sich selbst 20
gegenüber gewiss am schlechtesten und in nichts gut.“ „Wer dem Armen
eine Wohltat gibt, gibt zweifach, wenn er schnell gibt.“ „Wer einem
Todgeweihten helfen kann und ihm nicht hilft, tötet ihn.“ „Was ist es, eine
Wohltat zu erweisen? Den Herrn nachzuahmen.“ „Hilf dem Bedürftigen, ja
vielmehr beuge dich zu ihm herab.“ „In dem Geist, in dem du empfängst, 25
sollst du geben.“ Wenn du es aber nicht nötig hast etwas zu bekommen,
umso glücklicher musst du geben, was du weniger nötig hast. „Wenn
jemand eine Wohltat lieber erhält als sie zurückzugeben, irrt er also.“ „Oft
ist das, was gegeben wird, unbeträchtlich, was aber daraus folgt, groß.“
„Wir halten nichts für teurer als die Wohltat, solange wir sie wünschen, 30
nichts für billiger als die Wohltat, wenn wir sie bekommen haben. Du fragst,
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glänzend an der Haut und völlig unversehrt an den Gliedern vor. Während
der Graf also erstaunt und lange bei sich unsicher war, wer dies wohl sei,
fragte er nach. Jener sagte: „Ich bin jener Lepröse, dein Freund und nun
durch die Barmherzigkeit Gottes gesund gemacht worden; und ,mir ist die
Krone der Gerechtigkeit1 übrig geblieben. Dir aber wird der gerechte 5
Richter an jenem Tag die Gegenleistung für deine Liebe wiedergeben, die
du mir und den anderen Armen äußerst würdevoll entgegenbringen
wolltest.“ Nachdem er dies gesagt hatte, küsste der Graf mit großer Freude
und Tränen, wie er es zuvor bei ihm und den anderen Leprösen immer getan
hatte, dessen Hand, sagte ihm auf Wiedersehen und folgte seinem Gefolge. 10
Als der Graf es erreichte, sagte aber ein gewisser Mann von den Rittern mit
einem Lächeln: „Ihr habt geglaubt euren leprösen Freund wie gewohnt zu
besuchen, als ob er noch lebe, aber vergeblich, weil er schon lange den Weg
allen Fleisches gegangen ist.“ Als der Graf dann zum ersten Mal begriff,
dass der Lepröse gestorben war, ließ er sich vorsichtig nichts anmerken, 15
überdachte aber nochmals, was er gesehen hatte, und antwortete: „Der
allmächtige und gnädige Gott hat sich seiner Seele erbarmt.“
[16] Lasst uns aber sehen, was die Philosophen über die Barmherzigkeit
gegenüber Armen denken. „Ein Mensch, der barmherzig gegenüber einem
anderen Menschen ist, denkt an sich selbst.“ „Und der Geizige ist sich selbst 20
gegenüber gewiss am schlechtesten und in nichts gut.“ „Wer dem Armen
eine Wohltat gibt, gibt zweifach, wenn er schnell gibt.“ „Wer einem
Todgeweihten helfen kann und ihm nicht hilft, tötet ihn.“ „Was ist es, eine
Wohltat zu erweisen? Den Herrn nachzuahmen.“ „Hilf dem Bedürftigen, ja
vielmehr beuge dich zu ihm herab.“ „In dem Geist, in dem du empfängst, 25
sollst du geben.“ Wenn du es aber nicht nötig hast etwas zu bekommen,
umso glücklicher musst du geben, was du weniger nötig hast. „Wenn
jemand eine Wohltat lieber erhält als sie zurückzugeben, irrt er also.“ „Oft
ist das, was gegeben wird, unbeträchtlich, was aber daraus folgt, groß.“
„Wir halten nichts für teurer als die Wohltat, solange wir sie wünschen, 30
nichts für billiger als die Wohltat, wenn wir sie bekommen haben. Du fragst,