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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0896
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BUA 11,51

891

[7] Um dies, wenn es auch überflüssig scheint, zu beweisen, werde ich eine
gewisse Sache, die zu unserer Zeit in Frankreich geschah und die ich aus
äußerst vertrauenswürdiger Quelle erfahren habe, nicht verschweigen. Zu
jenem ehrwürdigen Mann, dem Magister Petrus von Corbeil, dem
Erzbischof von Sens,10 kam ein gewisser Sünder, der seine eigene Tochter 5
vergewaltigt hatte, um zu beichten. Nachdem er also in sehr großer und
außergewöhnlicher Reue und unter Tränen gebeichtet hatte, fragte er, ob er
jemals durch irgendein Leid oder eine Strafe Vergebung vom Herrn erhalten
könne. Zu ihm sagte der Bischof: „Ja, ohne Zweifel, wenn du für eine so
schlimme Übeltat die Buße auf dich nehmen willst?“ Und jener rief laut aus: 10
„Ich will“, sagte er, „auch wenn du von mir verlangst, tausend Tode zu
sterben.“ Unter Tränen sagte der Bischof also zu dem Unglücklichen, nein
vielmehr dem schon äußerst glücklichen Sünder: „Ich lege dir als Strafe nur
eine Buße von sieben Jahren auf.“ Darauf sagte jener: „Warum ist es so,
dass du mir, dem Schändlichsten, nur sieben Jahre als Strafe auferlegst, 15
obgleich ich, auch wenn ich bis zum Ende der Welt lebte, ein solches
Verbrechen selbst durch zahllose Strafen nicht von mir abwaschen könnte?“
Zu ihm sagte der Bischof: „Gehe fort und faste drei Tage nur bei Brot und
Wasser.“ Darauf bat jener, wobei er ziemlich laut jammerte und sich heftig
schlug, dass er ihm eine heilsame Buße auferlege. Über die Maßen 20
verwundert und erheitert befahl der Bischof dem Mann also schließlich und
endgültig, er solle Weggehen und nur ein „Vaterunser“ sagen, und wissen,
dass ihm die Sünde sicherlich schon vergeben sei. Unverzüglich brachte
jener ein grauenvolles Geheul hervor und fiel sterbend zu Boden. Und ohne
Zweifel glaubt man, so wie es der gotteswürdige Bischof später predigte, 25
dass derselbe Büßer ohne irgendeine andere Strafe des Fegefeuers, gesühnt
nur durch seine äußerst starke Reue, zum Ruhm emporstieg.

wPeter II. von Corbeil (gest. 1222), Bischof von Cambrai (1199-1200) und Erzbischof von Sens
(1200-1222). S. BALDWIN, Masters, Princes andMerchants I, S. 46 sowie die Anmerkungen dazu
ebd. II, S. 35-37.
 
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