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Über das Bauwerk Gottes - 14. Kapitel
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notwendig, dass sie nach Lehnrecht das Recht der Krieger an den Gütern der
Kirche anerkennen, das Recht Christi aber deshalb missachten, weil das
Recht der Krieger allzu sehr eingewurzelt ist, das Recht Christi aber in
unserer Zeit ungewohnt scheint. So ineinander verwirrt sind nämlich
Königtum und Kirche, dass ein Bischof schon das Reich zu berauben 5
scheint, wenn er den Kriegern die Güter der Kirche verweigern will.
15. Dies ist jene Verwirrung, durch welche die Hand der Bauenden in der
heiligen Kirche Gottes gehemmt wird, so wie einst nach dem Babylonischen
Exil die Bestrebungen derer, die den Tempel wiedererrichteten, dadurch 10
aufgehalten wurden, dass, so wie diese da Kirche und Königtum vermischt
haben, so jene, obwohl sie Israeliten waren, gegen das göttliche Verbot
durch Heirat fremder Frauen sich mit den Heiden vermischten und deren
Werke lernten. Haben sich nicht die Bischöfe mit den weltlichen Fürsten
vermischt und deren Werke so gelernt, dass etliche von ihnen es verstehen, 15
Burgen zu erstürmen, eine Kriegertruppe gegen Feinde zu führen und das
Übrige anzuordnen, das mehr zu einem Feldherrn als zu einem Bischof
passt? Was also muss ein Bischof, der das sein will, was er genannt wird,
tun, außer dass er die Menge und die Gewohnheit der Schlechten gänzlich
verachtet und nur Christus so folgt, dass er gewissermaßen ein zweiter 20
Tobias zu sein scheint? Über Tobias wird gelesen, dass er, als alle zu den
goldenen Kälbern gingen, die der König von Israel hatte machen lassen,
dieser allein sich von deren Gemeinschaft schied und nach Jerusalem kam,
um den Herrn, den Gott Israels anzubeten. So soll also der Bischof,
während alle zum Palast gehen, um sich mit den Angelegenheiten der Welt 25
zu befassen, allein im Anblick des Friedens25 lernen, die Gott geschuldeten
Opfer und Gaben darzubringen. Aber vielleicht wird der König ihn mit den
Kriegern verfolgen und wird ihn, nachdem das Gesetz Christi wie eine
ungewohnte Sache beiseite gedrängt wurde, über sein Recht bedrängen,
wobei er hierbei die Krieger als Unterstützer hat, die wie die Krieger des 30
25> Die visio pacis war eine gängige Etymologie für Jerusalem: vgl. beispielsweise Augustinus,
Enarrationes in psalmos, ed. DEKKERS/FRAIPONT, CCSL 38, Psalm 9, 12, S. 64 (quia Jerusalem
interpretatur visio pacis?, Isidor von Sevilla, Etymologiae 8, 1, 6 (Hierusalem pacis visio
interpretaturj und Hugo de Folieto, De claustro animae, Migne PL 176, lib. IV, cap. 22, Sp.
1160.
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notwendig, dass sie nach Lehnrecht das Recht der Krieger an den Gütern der
Kirche anerkennen, das Recht Christi aber deshalb missachten, weil das
Recht der Krieger allzu sehr eingewurzelt ist, das Recht Christi aber in
unserer Zeit ungewohnt scheint. So ineinander verwirrt sind nämlich
Königtum und Kirche, dass ein Bischof schon das Reich zu berauben 5
scheint, wenn er den Kriegern die Güter der Kirche verweigern will.
15. Dies ist jene Verwirrung, durch welche die Hand der Bauenden in der
heiligen Kirche Gottes gehemmt wird, so wie einst nach dem Babylonischen
Exil die Bestrebungen derer, die den Tempel wiedererrichteten, dadurch 10
aufgehalten wurden, dass, so wie diese da Kirche und Königtum vermischt
haben, so jene, obwohl sie Israeliten waren, gegen das göttliche Verbot
durch Heirat fremder Frauen sich mit den Heiden vermischten und deren
Werke lernten. Haben sich nicht die Bischöfe mit den weltlichen Fürsten
vermischt und deren Werke so gelernt, dass etliche von ihnen es verstehen, 15
Burgen zu erstürmen, eine Kriegertruppe gegen Feinde zu führen und das
Übrige anzuordnen, das mehr zu einem Feldherrn als zu einem Bischof
passt? Was also muss ein Bischof, der das sein will, was er genannt wird,
tun, außer dass er die Menge und die Gewohnheit der Schlechten gänzlich
verachtet und nur Christus so folgt, dass er gewissermaßen ein zweiter 20
Tobias zu sein scheint? Über Tobias wird gelesen, dass er, als alle zu den
goldenen Kälbern gingen, die der König von Israel hatte machen lassen,
dieser allein sich von deren Gemeinschaft schied und nach Jerusalem kam,
um den Herrn, den Gott Israels anzubeten. So soll also der Bischof,
während alle zum Palast gehen, um sich mit den Angelegenheiten der Welt 25
zu befassen, allein im Anblick des Friedens25 lernen, die Gott geschuldeten
Opfer und Gaben darzubringen. Aber vielleicht wird der König ihn mit den
Kriegern verfolgen und wird ihn, nachdem das Gesetz Christi wie eine
ungewohnte Sache beiseite gedrängt wurde, über sein Recht bedrängen,
wobei er hierbei die Krieger als Unterstützer hat, die wie die Krieger des 30
25> Die visio pacis war eine gängige Etymologie für Jerusalem: vgl. beispielsweise Augustinus,
Enarrationes in psalmos, ed. DEKKERS/FRAIPONT, CCSL 38, Psalm 9, 12, S. 64 (quia Jerusalem
interpretatur visio pacis?, Isidor von Sevilla, Etymologiae 8, 1, 6 (Hierusalem pacis visio
interpretaturj und Hugo de Folieto, De claustro animae, Migne PL 176, lib. IV, cap. 22, Sp.
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