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Über das Bauwerk Gottes - 15. Kapitel
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sein Vorbild bekräftigt und die Doppeldrachme gezahlt? Wer ist also der
Bischof, der sich größer als Christus oder auch Petrus macht und wagt, die
Abgabe, die jene zahlten, gegen die Lehre des Apostels Paulus der Obrigkeit
zu verweigern? Darauf werden wir antworten, dass wir wünschen, dass sich
hierin alle Bischöfe an Christus und Petrus angleichen, dass, so wie jener 5
nicht aus dem Beutel des Judas, der für die allgemeine Speisung der Armen
bestimmt war, sondern anderswoher das Geld erhielt, das dem Kaiser
gegeben werden sollte, so auch die Bischöfe nicht aus den Gütern der
Kirche, die allein den Armen und den Streitern Gottes gemein sein dürfen,
sondern anderswoher, wenn sie es können, den Kriegern und dem König 10
jene Abgabe darreichen sollen, da sie erkennen, dass die heiligen Väter
sagen, dass es Kirchenraub ist, das Gut der Armen nicht für die Armen
auszugeben. Wenn aber der Kaiser oder ein anderer Fürst das Gut der
Kirche fordern würde, würde der Bischof mit dem heiligen Ambrosius26
angemessen das antworten, was wir oben angeführt haben: Mir ist es nicht 15
gestattet, zu übergeben, und Dir, Kaiser, ist es nicht zuträglich, zu
empfangen. Wenn aber der Kaiser sich anschicken würde, für das Recht des
Königs, wie sie sagen, einem Bischof etwas vom Gut der Armen zu
entreißen, wäre es besser wie der heilige Laurentius27 zu brennen, dem das
Feuer die Güter der Kirche nicht entreißen konnte, als das Recht des 20
weltlichen Gerichts oder des Hofes so hoch einzuschätzen, als ob jenes uns
gegenüber dem göttlichen Recht rechtfertigen könnte. Denn keine
Gewohnheit, wie alt auch immer, keine Verordnung, wie oft auch von
Königen bestätigt, kann oder darf bestehen, wenn sie offenkundig den
Weisungen der Propheten, des Evangeliums und der Apostel widerspricht. 25
Aber es wird noch entgegengehalten, dass die Bischöfe den Kriegern nicht
das verweigern können, was jenen bekanntlich von ihren Vorgängern
26> Ambrosius von Mailand (s. Kap. 14, Anm. 21). | 27> Laurentius von Rom (( 10. August 258),
römischer Diakon und Märtyrer. Die Legende um Laurentius besagt, dass er nach der
Enthauptung Papst Sixtus II. (257-258) den Kirchenschatz nicht an Kaiser Valerian (253-260)
herausgab, sondern ihn an Arme, Kranke, Witwen und Waisen verteilte. Daraufhin wurde
Laurentius auf einem glühenden Eisenrost hingerichtet. Vgl. SAUSER, Art. „Laurentius von
Rom“, Sp. 1252-1254.
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sein Vorbild bekräftigt und die Doppeldrachme gezahlt? Wer ist also der
Bischof, der sich größer als Christus oder auch Petrus macht und wagt, die
Abgabe, die jene zahlten, gegen die Lehre des Apostels Paulus der Obrigkeit
zu verweigern? Darauf werden wir antworten, dass wir wünschen, dass sich
hierin alle Bischöfe an Christus und Petrus angleichen, dass, so wie jener 5
nicht aus dem Beutel des Judas, der für die allgemeine Speisung der Armen
bestimmt war, sondern anderswoher das Geld erhielt, das dem Kaiser
gegeben werden sollte, so auch die Bischöfe nicht aus den Gütern der
Kirche, die allein den Armen und den Streitern Gottes gemein sein dürfen,
sondern anderswoher, wenn sie es können, den Kriegern und dem König 10
jene Abgabe darreichen sollen, da sie erkennen, dass die heiligen Väter
sagen, dass es Kirchenraub ist, das Gut der Armen nicht für die Armen
auszugeben. Wenn aber der Kaiser oder ein anderer Fürst das Gut der
Kirche fordern würde, würde der Bischof mit dem heiligen Ambrosius26
angemessen das antworten, was wir oben angeführt haben: Mir ist es nicht 15
gestattet, zu übergeben, und Dir, Kaiser, ist es nicht zuträglich, zu
empfangen. Wenn aber der Kaiser sich anschicken würde, für das Recht des
Königs, wie sie sagen, einem Bischof etwas vom Gut der Armen zu
entreißen, wäre es besser wie der heilige Laurentius27 zu brennen, dem das
Feuer die Güter der Kirche nicht entreißen konnte, als das Recht des 20
weltlichen Gerichts oder des Hofes so hoch einzuschätzen, als ob jenes uns
gegenüber dem göttlichen Recht rechtfertigen könnte. Denn keine
Gewohnheit, wie alt auch immer, keine Verordnung, wie oft auch von
Königen bestätigt, kann oder darf bestehen, wenn sie offenkundig den
Weisungen der Propheten, des Evangeliums und der Apostel widerspricht. 25
Aber es wird noch entgegengehalten, dass die Bischöfe den Kriegern nicht
das verweigern können, was jenen bekanntlich von ihren Vorgängern
26> Ambrosius von Mailand (s. Kap. 14, Anm. 21). | 27> Laurentius von Rom (( 10. August 258),
römischer Diakon und Märtyrer. Die Legende um Laurentius besagt, dass er nach der
Enthauptung Papst Sixtus II. (257-258) den Kirchenschatz nicht an Kaiser Valerian (253-260)
herausgab, sondern ihn an Arme, Kranke, Witwen und Waisen verteilte. Daraufhin wurde
Laurentius auf einem glühenden Eisenrost hingerichtet. Vgl. SAUSER, Art. „Laurentius von
Rom“, Sp. 1252-1254.