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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0010
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Einleitung des Herausgebers

IX

sondern lediglich für eine bloße Denkerfahrung, aber der Vorwurf ist derselbe: Hier
werde von Dingen geredet, die in einen anderen Bereich gehören.
Angesichts dieses diskursiven Frontverlaufs überrascht es also nicht, dass Jaspers’
Denken keine Schule gemacht hat. Philosophie und Theologie, normalerweise um
klare gegenseitige Abgrenzung bemüht, sind in der Zurückweisung des philosophi-
schen Glaubens als subjektivistisch in seltener Harmonie vereint. Beide plädieren da-
für, den Gattungsunterschied zu wahren und die Grenze zwischen Denken und Glau-
ben nicht zu verwischen. So drängt sich eine Frage auf, die der Theologe Heinz Zahrnt
im direkten Gespräch mit Jaspers gestellt hat: »Warum sprechen Sie vom philosophi-
schen Glauben? Wir haben uns an diesen Ihnen eigenen Ausdruck gewöhnt, aber ge-
wöhnlich pflegen wir doch einen Unterschied zwischen >Philosophie< und >Glaube< zu
konstatieren, ja den entscheidenden Unterschied zwischen beiden gerade darin zu se-
hen, daß die Philosophie es nicht mit dem Glauben, sondern mit Denken und Erken-
nen zu tun hat. Warum also philosophischer Glaube?«5 Jaspers betont in seiner Ant-
wort den gemeinsamen Ausgangspunkt von Philosophie und Theologie. Für beide ist
der Glaube eine unbedingte Gewissheit, die sich im Denken erschließt, aber das Leben
diesseits und jenseits des Denkens trägt: »Theologie ist nicht weniger mit Denken und
Erkenntnis beschäftigt als die Philosophie. Es kommt darauf an, was Sache des Den-
kens ist: Gegenstände in der Welt oder der Ursprung, aus dem ich lebe. Theologie und
Philosophie haben es beide nicht zu tun mit Gegenständen in der Welt, die die Wis-
senschaften erkennen, sondern mit jenem Ursprung, aus dem wir leben. Darum ist der
Gegensatz nicht der von Glaube und Erkenntnis, sondern ist der Unterschied des Glau-
bens, der denkend sich zum Bewußtsein bringt und dann Glaubenserkenntnis heißt,
ob philosophische oder theologische. Dieses Denken und Erkennen in Philosophie
und Theologie ist grundsätzlich unterschieden vom wissenschaftlichen Erkennen.«6
Gemäß dieser Antwort ist das, was Philosophie und Theologie voneinander trennt,
zugleich das, was sie gegenüber der Wissenschaft verbindet: der Glaube. Und dieses
Verbindende ist keineswegs nur negativ bestimmt, über die Abgrenzung zur Wissen-
schaft, sondern durchaus positiv, über den Ursprung, aus dem wir leben. Philosophie
und Theologie mögen ihn auf verschiedene Weise denken, als Entgegenkommen der
Transzendenz oder als Offenbarung Gottes, gemeinsam ist beiden die Glaubenserfah-
rung, dass sie nicht von sich aus darüber verfügen können. Als Wirklichkeit quer zur
wissenschaftlich erkennbaren Realität erscheint der Ursprung, aus dem wir leben, als
eine Kraft, die uns zuwächst, und damit als eine Macht, von der wir abhängig sind. Nur
weil dieser unverfügbare Ursprung beiden gemeinsam ist, kann die Philosophie mit
der Theologie um einen »Unterschied des Glaubens« ringen und für sich beanspru-
chen, in ihren Aussagen genauso >objektiv< zu sein wie sie. So war Jaspers durch den

5 K. Jaspers, H. Zahrnt: Philosophie und Offenbarungsglaube, in diesem Band, S. 531.
6 Ebd., 532.
 
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