Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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| (5) Es scheint klar und einfach: Der Ursprung soll sprechen. Das ihn Überdeckende 190
ist abzuwerfen. Aber das Ursprüngliche ist für sich nur da, wenn es bewußt wird. Wird
es bewußt, spricht es sich aus. Spricht es sich aus, so unausweichlich in einer Auffas-
sungsweise. Das Ursprüngliche ist als es selbst immer nur im Gebilde eines Denkens
und Sprechens. Ein anderer, direkter Zugang täuscht. Betritt man ihn, so gerät man
aus klarem Sprechen unversehens ins Raunen.
Aber das Sprechen aus dem Ursprung untersteht der kritischen Frage. Wenn
die Auffassungsweise aus dem Ursprünglichen her kommt, bleibt sie von ihm er-
füllt. Wenn die Auffassungsweise von nichts mehr erfüllt ist, dann spricht sie nur
noch, ohne etwas zu sagen. Was gedachter Begriff, vollzogener Gedanke, wirksame
Denkfigur war, das kann zu anschauungsloser, motivloser, existenzloser Rationali-
tät werden. An diese leeren Bewegungen von Begriffen geht daher die kritische Frage
aus dem Ungenügen, das vom umgreifenden Ursprung her die bloßen Gedanken
nicht mit bloßen Gedanken, sondern mit der Erfahrung des existentiellen Denkens
prüft.
Im Denken liegt diese Bewegung: das Ursprüngliche wird erst wirklich durch Be-
wußtsein, dieses durch Denken; aber das denkende Bewußtsein weckt das Ursprüngli-
che, das dann über das bis dahin Bewußte hinaustreibt. In dieser Bewegung ist immer
von neuem die Wiederherstellung aus dem Abfallen in entleerte Sprechweisen gefor-
dert. Der Aufstieg in das Helle und zugleich Erfüllte, in der Einheit von Denken und
Ursprung, ist ein Wiederaufraffen aus dem Sturz. Nur mit diesem Wiederaufraffen ge-
winnt die Interpretation ihren eigentlichen Sinn.
(6) Mit der Interpretation, welche Aneignung ist, kommt der Ursprung mit dem Ur-
sprung in Fühlung. Teilnahme am Ursprung macht die Beurteilung der Chiffern wahr,
in der Teilnahme aber findet auch schon eine Verwandlung statt. Es vollzieht sich ein
ursprüngliches Denken, erweckt durch das andere ursprüngliche Denken.
In solcher Interpretation wird unterschieden das, was für die Wirklichkeit der Er-
fahrung anderer Menschen da war, und das, was den Interpreten selbst ergreift. Das
Gewissen der Redlichkeit vertraut sich nur dem an, was es selbst ursprünglich anzu-
eignen vermag.
Von hier wird unser philosophischer und theologischer Betrieb, dem wir angehö-
ren, befragt. Das sachlich verstehende Wühlen in dem Erbe einer großen Vergangen-
heit, als Voraussetzung unumgänglich, kann zu einer überflüssigen Beschäftigung wer-
den. Denn wenn ich | mich dem Spiel mit Schönheiten von Kunst und Dichtung und 191
mit spekulativen Gedanken überlasse, wenn ich die Erregung durch dramatische und
verwickelte historische Ereignisse erfahre und nichts anderes damit vollziehe und vor-
bereite, vielmehr darin Genüge finde, dann werde ich bei lebhafter Tätigkeit existen-
tiell zerstreut. Die Aspekte dessen, an dem keine eigene Verantwortung teilnimmt, ver-
führen zu abseitigen Meditationen, die von der gegenwärtigen Realität entfernen und
insofern ohne Ernst sind.
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| (5) Es scheint klar und einfach: Der Ursprung soll sprechen. Das ihn Überdeckende 190
ist abzuwerfen. Aber das Ursprüngliche ist für sich nur da, wenn es bewußt wird. Wird
es bewußt, spricht es sich aus. Spricht es sich aus, so unausweichlich in einer Auffas-
sungsweise. Das Ursprüngliche ist als es selbst immer nur im Gebilde eines Denkens
und Sprechens. Ein anderer, direkter Zugang täuscht. Betritt man ihn, so gerät man
aus klarem Sprechen unversehens ins Raunen.
Aber das Sprechen aus dem Ursprung untersteht der kritischen Frage. Wenn
die Auffassungsweise aus dem Ursprünglichen her kommt, bleibt sie von ihm er-
füllt. Wenn die Auffassungsweise von nichts mehr erfüllt ist, dann spricht sie nur
noch, ohne etwas zu sagen. Was gedachter Begriff, vollzogener Gedanke, wirksame
Denkfigur war, das kann zu anschauungsloser, motivloser, existenzloser Rationali-
tät werden. An diese leeren Bewegungen von Begriffen geht daher die kritische Frage
aus dem Ungenügen, das vom umgreifenden Ursprung her die bloßen Gedanken
nicht mit bloßen Gedanken, sondern mit der Erfahrung des existentiellen Denkens
prüft.
Im Denken liegt diese Bewegung: das Ursprüngliche wird erst wirklich durch Be-
wußtsein, dieses durch Denken; aber das denkende Bewußtsein weckt das Ursprüngli-
che, das dann über das bis dahin Bewußte hinaustreibt. In dieser Bewegung ist immer
von neuem die Wiederherstellung aus dem Abfallen in entleerte Sprechweisen gefor-
dert. Der Aufstieg in das Helle und zugleich Erfüllte, in der Einheit von Denken und
Ursprung, ist ein Wiederaufraffen aus dem Sturz. Nur mit diesem Wiederaufraffen ge-
winnt die Interpretation ihren eigentlichen Sinn.
(6) Mit der Interpretation, welche Aneignung ist, kommt der Ursprung mit dem Ur-
sprung in Fühlung. Teilnahme am Ursprung macht die Beurteilung der Chiffern wahr,
in der Teilnahme aber findet auch schon eine Verwandlung statt. Es vollzieht sich ein
ursprüngliches Denken, erweckt durch das andere ursprüngliche Denken.
In solcher Interpretation wird unterschieden das, was für die Wirklichkeit der Er-
fahrung anderer Menschen da war, und das, was den Interpreten selbst ergreift. Das
Gewissen der Redlichkeit vertraut sich nur dem an, was es selbst ursprünglich anzu-
eignen vermag.
Von hier wird unser philosophischer und theologischer Betrieb, dem wir angehö-
ren, befragt. Das sachlich verstehende Wühlen in dem Erbe einer großen Vergangen-
heit, als Voraussetzung unumgänglich, kann zu einer überflüssigen Beschäftigung wer-
den. Denn wenn ich | mich dem Spiel mit Schönheiten von Kunst und Dichtung und 191
mit spekulativen Gedanken überlasse, wenn ich die Erregung durch dramatische und
verwickelte historische Ereignisse erfahre und nichts anderes damit vollziehe und vor-
bereite, vielmehr darin Genüge finde, dann werde ich bei lebhafter Tätigkeit existen-
tiell zerstreut. Die Aspekte dessen, an dem keine eigene Verantwortung teilnimmt, ver-
führen zu abseitigen Meditationen, die von der gegenwärtigen Realität entfernen und
insofern ohne Ernst sind.