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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0030
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Einleitung des Herausgebers

XXIX

licher Normen und Standards sowie wissenschaftsethischer Prinzipien.111 Um dem Pro-
blem der »Vermassung« der Universitäten zu begegnen, wurde mit dem »Gesetz gegen
die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen« vom 25. April 1933 ein nu-
merus clausus eingeführt. Das Gesetz ermöglichte u.a. ein Vorgehen gegen marxistische
Studierende und erfüllte insofern eine ähnliche Aufgabe wie das »Berufsbeamtenge-
setz« in Bezug auf den Lehrkörper.112 Zusammen mit Verpflichtungen wie Land- und
Grenzlanddienst, Ernteeinsatz, Pflichtsport, Reichsarbeits- und SA-Dienst,113 die den
Studierenden durch die intellektuellenfeindliche NSDAP-Führung auferlegt wurden,
führte dies zu einem Rückgang der Studierendenzahlen von 121000 zum Ende der Wei-
marer Republik auf 56 000 im Jahre 1939.114 Versuche des NS-Regimes, die Wissenschaft
für die eigenen Zwecke dienstbar zu machen, misslangen allerdings weitgehend, weil
der Nationalsozialismus kein sachbezogenes Programm für das Universitätswesen mit-
brachte und eine allgemeine Konzeption der Forschungspolitik ausblieb.115 Demgegen-
über schritt die ideologische Durchdringung der Wissenschaften rasch voran, so dass
insbesondere in den politiknahen Fächern Soziologie, Geschichte, Politologie und
Germanistik bald »systemstabilisierend« geforscht und gelehrt wurde.116 Auch wenn
sich die Universitäten insgesamt mit der Zeit als untauglicher für die Interessen des
NS-Regimes erwiesen als von diesem erhofft, hatten die genannten Maßnahmen und
Entwicklungen die Universitäten im Kern ihrer Existenz getroffen: Ihr wissenschaftli-
ches Ethos war verraten, das Verhältnis ihrer Mitglieder vergiftet, die Selbstverwaltung
korrumpiert und die Forschung ideologischen Interessen unterworfen worden.
6. Die westdeutsche Nachkriegsuniversität
Nach dem Krieg gehörten die Universitäten - nicht zuletzt aufgrund der von den Alli-
ierten angestrebten »Umerziehung« (»re-education«) der Deutschen und der Notwen-
digkeit, die medizinische Versorgung der unterernährten Bevölkerung zu gewährleis-
ten117 - zu den ersten Einrichtungen, die wiedereröffnet wurden. Dabei stellten sich
in H.-U. Wehler: DGGIV, 825; vgl. hierzu auch: N. Hammerstein: »Epilog. Universitäten und Kriege
im 20. Jahrhundert«, in: W. Rüegg (Hg.): GdUE III, 515-545, 535. Der Verrat wissenschaftlicher
Prinzipien zeigte sich u.a. in der protestlosen Hinnahme von Forderungen, wie sie der bayerische
Kultusminister Hans Schemm an die Professoren richtete. Dieser verkündete 1933: »Von hier ab
kommt es für Sie nicht mehr darauf an, ob etwas wahr ist, sondern ob es im Sinn der nationalso-
zialistischen Revolution ist« (zit. n. H.-U. Wehler: DGG IV, 825-826).
112 Vgl. H. Weisert: Verfassung und Universität, 135.
113 Vgl. H. Titze: »Hochschulen«, 230; H.-U. Wehler: DGG IV, 831.
114 Vgl. ebd., 831.
115 Vgl. H. Maier: »Nationalsozialistische Hochschulpolitik«, in: H. Kuhn u.a. (Hg.): Universität im
Dritten Reich, 71-102, 73.
116 Vgl. R. A. Müller: GdU, 99.
117 Vgl. G. Neave: »Grundlagen«, in: W. Rüegg (Hg.): GdUE IV, 47-75, 49; W. Rüegg, J. Sadlak: »Die
Hochschulträger«, in: W. Rüegg (Hg.): GdUE IV, 79-120, 83.
 
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