Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0048
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung des Herausgebers

XLVII

sen folgenreichen Gedanken nimmt Jaspers in seinen späteren Texten zum Totalita-
rismus, zur Erziehung212 und zur Universität wieder auf. So spricht er in dem 1952 ver-
öffentlichten Text »Von den Grenzen pädagogischen Planens«213 Implikationen der
Bildungsplanung an, die er als Angriff auf die freiheitliche Erziehung wertet und de-
ren Einschätzung seiner 1960 und 1961 geäußerten Kritik an der Verschulung der Uni-
versität vorgreift. Erstmals äußert Jaspers hier die Befürchtung, man leiste mit einer ra-
dikalen Durchplanung des Erziehungswesens dem Geist des Totalitarismus Vorschub.
Das Erziehungssystem der »noch freien Welt« nähere sich durch in guter Absicht vor-
getragene und auf Überinterpretationen psychologischer Erkenntnisse gestützte Mach-
barkeitsphantasien dem totalitären Erziehungssystem an, in dem die Erziehung bis
ins Kleinste geplant, nivelliert und erzwungen werde.214 Die Gefahr einer Entwicklung
zum Totalitären und einer Abkehr von den freiheitlichen Grundlagen der Erziehung
erblickt Jaspers dabei vor allem in der Verselbständigung der Planung. Denn wo die
Planung zum Selbstzweck wird, so Jaspers, »da verwandelt sich Erziehung in Abrich-
tung, der Mensch in Funktion, kollabiert der mögliche Aufschwung des Menschen in
einem Zustand bloß vitaler Lebensenergie, ein Prozeß, der erst im Totalitären seinen
Sinn versteht und vollendet.«215
Diese kausale Verknüpfung einer rigiden Bildungsplanung mit der Entmensch-
lichung der Bildung nimmt Jaspers in seinem letzten auf Fragen der Universitätsre-
form zugeschnittenen Aufsatz »Das Doppelgesicht der Universitätsreform«216 wieder
auf. Ähnlich wie in »Vom rechten Geist der Universität« formuliert er hier zwei zent-
rale Aufgaben der Hochschulreform. Zur ersten, der Aufgabe der Schaffung eines dem
Auftrag angemessenen äußeren Rahmens, zählt er hauptsächlich Aspekte der Verwal-
tung des Massenandrangs sowie der materiellen und administrativen Einrichtung
der Institution. Die zweite Aufgabe sieht Jaspers hingegen in der »Wiedergewinnung
der Kraft der Idee der Universität«,217 ohne deren Führung eine wirkliche Reform des
Hochschulwesens substanzlos bleiben müsse.218 Diese Wiedergewinnung aber ist für
ihn auf die akademische Freiheit angewiesen. Die Einschränkung der freien Bildung
und akademischen Freiheit kann aus seiner Sicht deshalb ein Abgleiten in den Totali-

212 Ein Lesebuch mit Texten von Jaspers zum Thema Erziehung wurde 1977 von Hermann Horn he-
rausgegeben (K. Jaspers: Was ist Erziehung? Ein Lesebuch, Textauswahl und Zusammenstellung von
H. Horn, München 1977).
213 EV in: Basler Schulblatt. Organ des Erziehungsdepartements und der Schulsynode Basel-Stadt, Nr. 4
(1952) 72-77.
214 K. Jaspers: »Von den Grenzen pädagogischen Planens«, 217; Jaspers betont im genannten Aufsatz,
dass sich seine Bemerkungen nicht allgemein gegen Bildungsplanung richten, sondern nur ge-
gen einen »falschen Geist« des Planens (ebd., 218).
215 Ebd., 223.
216 EV in: Die Deutsche Universitätszeitung, Nr. 3 (1960) 3-8; in diesem Band, 241-253.
217 K. Jaspers: »Das Doppelgesicht der Universitätsreform«, 241.
218 Vgl. ebd., 241-242.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften