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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0088
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Die Idee der Universität [1923]

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Mit dem Begriff des Wissens läßt man den der Bildung leicht zusammenfallen, in-
sofern Wissen ein Mittel der Bildung ist. Man spricht wohl von materialer Bildung,
womit man dieses Wissen bezeichnet, und stellt sie der formalen gegenüber.17 Diese
letztere aber ist gerade das Eigentümliche. Wissen ist etwas Einzelnes. Bildung ist mehr
als Wissen. Die Bildung bezieht sich auf das Ganze der empirischen Existenz des Indi-
viduums, während der Geist sich auf ein Ganzes als Idee im absoluten Sinne bezieht.
Will man mit dem Worte Bildung einen spezifischen Begriff verbinden, wird man
ihn von Geist und Wissen unterscheiden. Dann wird man auch die Fachausbildung,
welche den Menschen zu einem tüchtigen Werkzeug für ein Einzelnes macht, nicht
Bildung nennen, die sich vielmehr auf den ganzen Menschen erstreckt; dann wird man
auch die soziologische Privilegierung nicht Bildung nennen. Sie ist an sich nichts und
gewinnt ihre Substanz nur entweder durch Fachausbildung oder durch die Prägung
vermöge eines Bildungsideals.
Die generelle Definition der »Bildung« bleibt immer arm. Sowie man ein Bildungs-
ideal bestimmter faßt, ist es auch ein historisch bestimmtes; und man muß die Man-
nigfaltigkeit historischer Bildungsideale sich vergegenwärtigen, um zu sehen, daß es
nicht ein einziges wahres Bildungsideal gibt - während wir an einen einzigen wahren
Geist glauben. Die Bildungsideale haben ihre Farbe nach dem Stande, von dem sie ka-
men (Ritter, Priester, Bürger, Mönch usw.), der geistigen Sphäre, die bestimmend wurde
(Forscher, Weltmann, Künstler und Dichter), nach dem sachlichen Gebiete, das herr-
schend war (das musisch-gymnastische Geprägtsein, das scholastische Wissen, die
sprachlich-literarische Bildung, das technisch-naturwissenschaftliche Können),
schließlich nach der Art der Institution, in der die Bildung erworben wird (Gymna-
sien, öffentliches Leben, agora,18 Fürstenhof, Salon, Universität).
| Fast allen Bildungsidealen ist gemeinsam der Sinn für Disziplinierung, Form, 10
Selbstbeherrschung; gemeinsam auch der Sinn dafür, daß durch Gewöhnung und
Übung die Bildung zur zweiten Natur werden müsse, d.h. so, als ob alles angeboren
und nicht erworben sei. Immer wieder ist das Mittel der Bildung vor allem die litera-
rische Welt. Gebildetsein fällt recht oft mit Literatsein zusammen. In der antiken
Welt wurde die Rhetorik schließlich das wesentliche Bildungsmittel, und ihr Gegen-
satz zur philosophischen Existenz, der sich durch das ganze spätere Altertum zieht,
zeigt, wie Bildung und Geist, manchmal eng verbunden, in heftige Feindschaft gera-
ten können. Bildung wird bloße Form und will damit es bewenden lassen. Die Huma-
nisten legten wieder entscheidenden Wert auf die Sprache, die französische Bildung
ist gebunden an die Entstehung und Erhaltung des vollendeten Gebrauchs des franzö-
sischen Sprachstils.
In der Bildung ist formuliert und starr geworden, was im Moment des Geschaffen-
werdens geistig war und als Element eines Ganzen in Relativiertheit geistig bleiben
kann. Es besteht in allen Zeiten, in denen Bildungsideale herrschen, welche aus histo-
rischem Bewußtsein und Wissen von der Sprache gewonnen sind, eine Spannung zwi-
 
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