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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0103
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Die Idee der Universität [1923]

sen, ist kein erheblicher Unterschied. Die Folgenden pflegen, nachdem einmal eine
schöpferische Gruppe die Führung hatte, bloße Epigonen zu sein, bloße Tradition zu
haben und den Geist zu verlieren.
Alle Rangunterschiede und Unterschiede der Wohlfahrt werden nur durch Macht
und drohende Anwendung von Gewalt gehalten. Aber sie pflegen so nur haltbar zu
sein, wenn zugleich die Tatsächlichkeit und die allgemeine instinktive Anerkennung
des höheren Niveaus einer Gruppe oder Schicht da ist.
Das Ideal wäre, daß jeder Mensch seiner Anlage entsprechend alles erhielte, lernte,
täte, was er seinem Wesen nach kann. Dies ist selbst bei den größten und glücklich-
sten Menschen nicht erreicht. Der Mensch ist ein der Idee nach Unendliches, das je-
weils in endliche Bedingungen eingespannt ist und nur in diesen, indem es sie ergreift,
Substanz und Wert gewinnt. Die Einschränkung durch Vererbung und Anlage und die
Einschränkung durch Herkunft und soziologische Bedingungen stehen nebeneinan-
der. Der Mensch lebt in der Zeit und kann nicht alles zugleich, sein Leben ist begrenzt,
er muß sich beschränken, seine anlagemäßigen Werkzeuge legen ihm Fesseln an, die
er nicht endgültig abzuwerfen vermag - trotz allem ist er sich seiner Freiheit bewußt.51
Die soziologischen und ökonomischen Bedingungen geben den Anlagen verschieden
günstige Chancen. Auch hier läßt sich der geistige Mensch in aller Enge seine Freiheit
nicht völlig nehmen.
Man kann empirisch fragen: Aus welchen Kreisen stammen die hervorragenden
Männer? Die berühmten Deutschen von 1700 bis 1860'),52 deren Darstellung in der all-
gemeinen deutschen Biographie zwei Seiten oder mehr einnimmt, stammen zu 83,2%
aus den oberen Ständen, zu 16,8% aus den niederen (Handwerker, Bauern, Proletarier).
Von denen, die aus niederen Ständen kommen, werden 32,7% Künstler, 27,8% Akade-
miker, 14,6% Pfarrer, die übrigen Berufe beteiligen sich nur mit kleinen Zahlen. - Man
wird mit Recht schließen, daß bei den oberen Ständen die Bildungschancen, welche
Voraussetzung höchster Leistungen sind, erheblich günstiger liegen als bei den niede-
ren, besonders wenn man bedenkt, daß die Gesamtzahl der niederen in jenen Jahr-
30 hunderten die der höheren gewaltig überstieg. Die deutsche Kultur wurde | doch von
einer Schicht von ein paar tausend Menschen repräsentiert. Wenn man aber bei sol-
chen Überlegungen voraussetzt, daß die Menschen der Anlage nach in allen Schich-
ten gleich geboren würden, und der Unterschied nur auf einem Unterschied der Chan-
cen beruhe, so wäre das mindestens voreilig. Wenn die biologischen Qualitäten durch
die Art der Zuchtwahl und Rasse bestimmt sind, so könnten auch anlagemäßige Un-
terschiede von soziologischen Schichten, die eine alte Herkunft haben, bestehen. Vor
allem aber ist der Mensch nicht seinem Wesen nach einfach »geboren«. Sondern was
aus ihm wird, das ist zum Teil durch eine lange, strenge, hartnäckige Erziehung be-

Nach Maas, Über die Herkunftsbedingungen der geistigen Führer, Arch. f. Sozialwissenschaft,
Bd. 41.
 
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