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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0122
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Die Idee der Universität [1923]

47

| Drittes Kapitel

Abhängigkeiten und

Auswirkungen der

Universitätsidee in

der Wirklichkeit

54

§ 1. Der Universitätsunterricht
Der Student kommt zur Universität, um Wissenschaften zu studieren und sich für ei-
nen Beruf vorzubereiten. Trotzdem Aufgabe und Situation scheinbar klar sind, ist aber
der Student oft ratlos. Zunächst überwältigt ihn die Menge des Lernbaren, er fragt, wo
er anfangen, wie er urteilen soll, worauf es vor allem ankommt. Einführungsvorlesun-
gen, Übungskurse, Studienpläne helfen zum Teil über diese Schwierigkeiten hinweg;
letzthin muß er sich in der Welt der Vorlesungen und Übungen doch selbst helfen.
Aber der junge Student erwartet von der Universität instinktiv mehr. Zwar studiert er
ein Fach und denkt an einen Beruf, jedoch die Universität, ihm in ihrem ererbten
Glanz erscheinend, repräsentiert das Ganze der Wissenschaften, und er hat Ehrfurcht
vor diesem Ganzen; er erwartet von dieser Totalität etwas zu spüren, denkt wohl, be-
gründete Weltanschauung hier zu finden. Der Weg zur Wahrheit überhaupt soll ihm
aufgetan, die Welt, die Dinge, die Menschen und Verhältnisse sollen ihm klar und
durchsichtig werden, und das Ganze soll sich ihm langsam in einer unendlichen Ord-
nung, einem Kosmos darstellen. - Auch damit würde die Jugend noch nicht zufrieden
sein. Der junge Mensch fühlt das Leben meist verantwortlicher und ernster als in spä-
terem Alter, er fühlt sich bildsam und voller Möglichkeiten, ist sich bewußt, daß noch
vieles zukünftig entschieden wird, und daß es zu gutem Teil an ihm liegt, was aus ihm
wird. Er fühlt, daß es auf die alltägliche Lebensführung ankommt, auf jede Stunde und
jede innere Regung seiner Seele. Der junge Mensch will erzogen sein, sei es in Unterwer-
fung unter einen | Meister, sei es in Selbsterziehung, sei es in kämpfender und lieben- 55
der Kommunikation mit Gleichstrebenden.
Für den Jüngling ist der Idee nach wissenschaftliche Arbeit geistige Arbeit, d.h. sie
ist bezogen auf das Ganze des Wißbaren, und sie ist bezogen auf die Existenz seiner
selbst, seine Entfaltung und Prägung. Man spricht an der Universität darum nicht nur
von Wissenschaft, sondern von Weltanschauung, von Geist und von Erziehung.
Der erste Enthusiasmus hält nicht stand, die Erwartungen werden an der Univer-
sität selten erfüllt. Vielleicht war sich der Mensch nie recht klar, was er wollte und was
er tat, jedenfalls wird er nun oft chaotisch, gibt das eigentliche Streben auf und ver-
rennt sich in sehr verschiedenartigen Sackgassen: er lernt zum Examen und beurteilt
 
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