Die Erneuerung der Universität 39
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Frage: Es ist Ihre Ansicht, Herr Professor, daß nach Wiederherstellung der äußeren
Bedingungen die eigentliche Erneuerung der Universität von innen kommen muß.
Sie meinen damit, daß die menschliche und politische Haltung entgiftet werden
muß?
Jaspers: Gewiß. Aber dies wird an der Universität nur als die Folge einer tiefen gei-
stigen Erneuerung geschehen, oder es wird mißlingen. Die Weise der Beschäftigung
mit den Wissenschaften muß anders werden. Der Ernst der Wahrheit, die Wahrhaftig-
keit, die methodische Kritik und die Liebe zur Sache stehen in unlösbarem Zusammen-
hang mit der Humanität.140 Eine Jugend, die mit Leidenschaft wissen will und Wahr-
heit sucht, wird unfehlbar zugleich menschlich sein und politisch vernünftig werden.
Aber das Suchen der Wahrheit, dieses höchste Anliegen des Menschen, ist nicht
einfach. Wahrheit liegt nicht als fertiger Lehrstoff da, den man nur zu lernen braucht.
Wahrheit ist nur dort, wo alles erreichte Wissen das ursprüngliche Wissenwollen141
steigert. Dieses unendliche Vorantreiben zur Wahrheit ist die Sache der Universität.
Darum sind an ihr Forschung und Lehre, auch schon für das Bewußtsein der Studenten,
untrennbar.
Frage: Sie scheinen mir von persönlichen Qualitäten zu sprechen. Diese Erneue-
rung wäre Sache eines jeden einzelnen. Läßt sich dafür von außen etwas tun?
Jaspers: Ja, und zwar Entscheidendes. Man muß erstens die Universität im ganzen als
die Einheit aller Wissenschaften eröffnen. Man muß zweitens alle großen Anliegen
des Menschen zur Sache der Universität, der Forschung und Lehre, werden lassen. Viel-
leicht darf ich diese beiden Punkte nacheinander erörtern.
Frage: Was den ersten Punkt betrifft, so wundere ich mich, daß Sie auf die Univer-
sität als Ganzes solchen Wert legen. Wenn man nacheinander erst die medizinische
Schule, dann die Theologie, dann die Sprachen usw. eröffnet, so wird doch am Ende
auch das Ganze erreicht werden.
Jaspers: Das eben halte ich für einen Irrtum. Auf diesem Wege wird nur ein Aggre-
gat von Schulbetrieben erreicht. Dann wird in der Gesinnung studiert, daß man fer-
tige Ergebnisse nur zu lernen habe, um damit baldmöglichst zum Examen und zur
praktischen Anwendung zu kommen. Dagegen ist die Teilnahme am Suchen der Wahr-
heit auf dem Wege des Lernens daran gebunden, daß der Geist in der Unruhe des Fra-
gens sich befindet. Dann wird mit größtem Eifer gelernt, um die Voraussetzungen zu
gewinnen, diese Fragen zu verstehen und an der großen Diskussion der Menschheit
teilnehmen zu können. Diese Bewegung aber ist wiederum gebunden an die eine um-
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Frage: Es ist Ihre Ansicht, Herr Professor, daß nach Wiederherstellung der äußeren
Bedingungen die eigentliche Erneuerung der Universität von innen kommen muß.
Sie meinen damit, daß die menschliche und politische Haltung entgiftet werden
muß?
Jaspers: Gewiß. Aber dies wird an der Universität nur als die Folge einer tiefen gei-
stigen Erneuerung geschehen, oder es wird mißlingen. Die Weise der Beschäftigung
mit den Wissenschaften muß anders werden. Der Ernst der Wahrheit, die Wahrhaftig-
keit, die methodische Kritik und die Liebe zur Sache stehen in unlösbarem Zusammen-
hang mit der Humanität.140 Eine Jugend, die mit Leidenschaft wissen will und Wahr-
heit sucht, wird unfehlbar zugleich menschlich sein und politisch vernünftig werden.
Aber das Suchen der Wahrheit, dieses höchste Anliegen des Menschen, ist nicht
einfach. Wahrheit liegt nicht als fertiger Lehrstoff da, den man nur zu lernen braucht.
Wahrheit ist nur dort, wo alles erreichte Wissen das ursprüngliche Wissenwollen141
steigert. Dieses unendliche Vorantreiben zur Wahrheit ist die Sache der Universität.
Darum sind an ihr Forschung und Lehre, auch schon für das Bewußtsein der Studenten,
untrennbar.
Frage: Sie scheinen mir von persönlichen Qualitäten zu sprechen. Diese Erneue-
rung wäre Sache eines jeden einzelnen. Läßt sich dafür von außen etwas tun?
Jaspers: Ja, und zwar Entscheidendes. Man muß erstens die Universität im ganzen als
die Einheit aller Wissenschaften eröffnen. Man muß zweitens alle großen Anliegen
des Menschen zur Sache der Universität, der Forschung und Lehre, werden lassen. Viel-
leicht darf ich diese beiden Punkte nacheinander erörtern.
Frage: Was den ersten Punkt betrifft, so wundere ich mich, daß Sie auf die Univer-
sität als Ganzes solchen Wert legen. Wenn man nacheinander erst die medizinische
Schule, dann die Theologie, dann die Sprachen usw. eröffnet, so wird doch am Ende
auch das Ganze erreicht werden.
Jaspers: Das eben halte ich für einen Irrtum. Auf diesem Wege wird nur ein Aggre-
gat von Schulbetrieben erreicht. Dann wird in der Gesinnung studiert, daß man fer-
tige Ergebnisse nur zu lernen habe, um damit baldmöglichst zum Examen und zur
praktischen Anwendung zu kommen. Dagegen ist die Teilnahme am Suchen der Wahr-
heit auf dem Wege des Lernens daran gebunden, daß der Geist in der Unruhe des Fra-
gens sich befindet. Dann wird mit größtem Eifer gelernt, um die Voraussetzungen zu
gewinnen, diese Fragen zu verstehen und an der großen Diskussion der Menschheit
teilnehmen zu können. Diese Bewegung aber ist wiederum gebunden an die eine um-