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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0157
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Die Erneuerung der Universität

fassende Wahrheit, die nur in der Gesamtheit der Wissenschaften sich darstellt. Die
Wissenschaften müssen sich als Glieder des Ganzen wissen.
Die Wahrheit ist nicht da als Lehrgegenstand, sondern als die Bewegung der Ge-
meinschaft der Geister, - in der die Theologie und Physik, Recht und Medizin, die Ge-
schichte und Astronomie, kurz die gesamte Welt und ihre Grenzen, und das Erdenken
der Transzendenz142 - zur Geltung kommen. Die Wahrheit ist eine, weil in der Welt al-
les miteinander zusammenhängt und weil die eine, in sich ungeschlossene Welt auf
Gott, ihren Schöpfer bezogen ist.
Daher ist die Eröffnung der Gesamtuniversität von der Bedeutung, durch die leben-
dige Einheit aller Wissensmöglichkeiten die Schwungkraft für das Studium zu gewin-
nen.
Frage: Meinen Sie wirklich, daß die Eröffnung der Gesamtuniversität diese großar-
tigen Folgen haben würde?
Jaspers: Die eigentliche Erneuerung findet statt durch das innere Handeln120 jedes
einzelnen. Es kommt auf die Menschen an. Daß solche Menschen in der deutschen Ju-
gend da sind, ist mein festes Vertrauen. Sie sind durch die vergangenen Vergewaltigun-
gen ihres Geistes und durch die Not des allgemeinen und persönlichen Leidens zum
Äußersten getrieben. Der Umschlag in die Leidenschaft geistiger Aufbauarbeit ist für
jede edle Natur zwingend. Es bedarf nur der Ermutigung durch die Begegnung dieser
Einzelnen im Raume der Universität. Im deutschen Volke liegen nicht nur die Mög-
lichkeiten, deren Entfaltung in den letzten Jahren das Entsetzen für die Welt und mehr
noch für uns selbst waren. Die damals verbotenen, darum verborgenen Möglichkei-
ten drängen heute ans Licht. Das Land Lessings, Kants und Goethes wird sich seiner
besten Vergangenheit und des daher kommenden Anspruchs erinnern.
Frage: Sie haben als zweite Forderung ausgesprochen, alle großen Anliegen des
Menschen zur Sache der Universität zu machen. Was meinten Sie damit?
Jaspers: Eine Gefahr der Universität war jederzeit, sich abzuschließen vom Leben in
ästhetischer Betrachtung, in interessanten Diskussionen, in kontemplativer Unver-
bindlichkeit. Nun ist es recht, daß die Universität in einem gleichsam staatsfreien
Raum, ohne unmittelbar praktische Aufgaben, in Ruhe und auf lange Sicht arbeitet.
Aber das ist nur fruchtbar, wenn die Menschen, die dieses Leben der Studien führen,
zugleich ergriffen sind von den realen Nöten der Zeit. Darum wandelt sich die Vor-
dringlichkeit der Probleme. Nicht das, was diesen Monat oder dieses Jahr als irgend-
ein einzelnes Geschehnis Ansprüche erhebt, ist notwendig Sache der Universität, aber
wohl das, was in diesem Zeitalter die überall und immer wiederkehrende Not ist.
Heute werden z.B. ökonomische, politische und soziologische Fragen eine viel größere
Bedeutung haben, als in ruhigeren, relativ stabilen Zeiten. Heute wird in Deutschland
die Umschmelzung unseres geschichtlichen Bewußtseins ein Hauptproblem der Forschung.
Aber vielleicht das größte Problem des Zeitalters ist die Fechnik. Die Universität wird
erst eigentlich modern, gegenwärtig und aufgeschlossen, wenn neben die theologi-
 
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