Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0158
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Erneuerung der Universität

83

sehe, juristische, medizinische auch eine technische Fakultät tritt, die die Aufgaben
der bisherigen technischen Hochschulen erfüllt.143 Dann bestände die Möglichkeit,
daß alle Forscher durch die Gegenwart der Techniker innerlich lebensnäher würden,
weil sie ergriffen würden von der Größe und dem Verhängnis der modernen Technik,
und daß die technischen Forscher sich durchdringen ließen von dem einen umfassen-
den Geist der Wahrheit, in dem alle menschlichen Anliegen ohne Ausnahme ihre An-
sprüche und Fragen zur Geltung bringen.
Frage: Aber wäre das nicht eine neue Gefahr? Die Universität, die schon durch zu
viele Wissenschaften zerstreut ist, bekäme nur eine Verbreiterung, die ihre Einheit voll-
ends auflöst, in ein Aggregat.
Jaspers: Das ist in der Tat eine Gefahr, aber eine Gefahr von der Art, die man auf sich
nehmen muß, wenn das eigentliche Leben der Universität erhalten bleiben soll.
Darum wäre zugleich mit der Schaffung einer neuen Fakultät alles zu tun, um die Ein-
heit der Universität straffer zu gestalten. Dafür würde ein hohes Symbol sein die Wie-
derherstellung der alten philosophischen Fakultät, statt der Spaltung in die beiden Fa-
kultäten der Natur-und der Geisteswissenschaften, wie sie das Ende des 19. Jahrhunderts
gedankenlos hat geschehen lassen. Diese Einheit der philosophischen Fakultät um-
faßt sämtliche Grundwissenschaften,144 auf denen die anderen Fakultäten ruhen, wel-
che ja besonderen menschlichen Anliegen wie dem Heil der Seele, der staatlichen Ord-
nung, der Gesundheit des Leibes und der technischen Daseinsordnung des Menschen
zugewandt sind.
Frage: Ist nicht Ihr Programm einer Erneuerung der Universität, von dem Sie mir
ein wenig mitgeteilt haben, zu hoch gegriffen für die Notlage, in der sich heute
Deutschland befindet?
Jaspers: Ich glaube nicht. In materieller Hinsicht werden wir mit den großen Welt-
universitäten nicht konkurrieren können. Auf manche kostspieligen Forschungen
werden wir verzichten müssen. Aber noch in materieller Beschränkung kann der Geist
das Höchste erstreben in dem, was auf das Hervorbringen des Menschseins selber geht.
Wir dürfen versuchen, eine Hohe Schule des Geistes zu werden, der durch ständigen
Wechselverkehr aller Wissensmöglichkeiten, in dem lebenden Kampf der Forschen-
den möglich ist. Wir müssen, was uns an physischen Mitteln abgeht, ersetzen durch
die Kraft des Geistes,145 wenn es uns vergönnt ist. Noch sind wir nicht so weit, aber wir
hören den Ruf unserer geistigen Ahnen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften