Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0208
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Idee der Universität [1946]

133

Universität und die Einrichtung besonderer Fachhochschulen, Bildungshochschulen
- letztere etwa in der Form besonderer Fakultäten, welche an den Universitäten nur
der Bildung dienen sollen - und Forschungsanstalten.235 In der Idee der Universität bil-
den aber diese Zwecke eine untrennbare Einheit. Ein Zweck läßt sich vom anderen
nicht lösen, ohne die geistige Substanz der Universität zu vernichten und zugleich sich
selbst verkümmern zu lassen. Alle drei Zwecke sind Momente eines lebendigen Gan-
zen. In der Isolierung dieser Zwecke tritt ein Absterben der Geistigkeit ein.
1. Forschung
Das ursprüngliche Wissenwollen ist der beherrschende Antrieb im heben der Univer-
sität bei Lehrern und Schülern. Die Voraussetzung jeden Erkenntnisfortschritts ist aber
die hartnäckige, unverdrossene Arbeit. Diese Arbeit enthält drei Momente:
a) Die Arbeit im engeren Sinne besteht im Lernen und Üben, in der Erweiterung des
Besitzes an Wissen und der | Beherrschung der Methoden. Sie ist die Grundlage alles 41
weiteren, sie bedarf am meisten der Disziplin und Ordnung, sie nimmt zeitlich den
größten Umfang ein, sie kann jederzeit willkürlich in Angriff genommen werden.
Durch sie schaffen wir uns die Voraussetzungen, bilden wir unsere Werkzeuge, durch
sie gewinnen wir, wenn wir wissenschaftlich etwas Neues gefunden haben, den klaren
Ausdruck, die methodische Kontrolle, die eigentliche Durcharbeitung dessen, was
sonst bloßer Einfall bleibt. Diese Arbeit des Fleißes kann niemand gering achten. Hier
ist der gute Wille mächtig. Mit dieser Arbeit soll der Student sofort beginnen, wie er es
auf der Schule gelernt hat. »Je früher der Mensch gewahr wird, daß es ein Handwerk,
daß es eine Kunst gibt, die ihm zur geregelten Steigerung seiner natürlichen Anlagen
verhelfen, desto glücklicher ist er.« (Goethe.)85 Wer allerdings auf dieses Handwerkliche
pochen wollte und dadurch allein seiner Geistigkeit Wert geben möchte, wäre im end-
los Stofflichen verloren. Bloßer Fleiß wendet sich in unedlem Ressentiment wohl ge-
gen wahre Geistigkeit, in der noch weitere Momente entscheidend wirksam sind.
b) Damit das Arbeiten nicht bloße Endlosigkeit werde, damit Sinn und Idee darin
sei, bedarf es eines durch guten Willen allein nicht Erwerbbaren. Ideen, selbst nicht
rational als richtig einsichtig, geben den Erkenntnissen erst ihre Wichtigkeit, dem
Forscher die treibende Kraft. Ideen wachsen und bewegen und sind nicht willkürlich
herbeizuzwingen, wachsen aber auch nur bei dem Menschen, der stetig arbeitet. »Ein-
fälle« kommen unberechenbar. Wodurch das Erkennen allein gedeiht, dieses Nicht-
klare, Nichtzumachende und nicht rational Durchschaubare, bedarf der Pflege. Der
geistige Forscher gehört zu denen, die »immer daran denken«, von ihrem Studium
ganz durchdrungen sind. Ungeistig ist die Trennung des Lebens in Arbeit und Amüse-
ment. Die Lebensweise ist eine Bedingung, daß Einfälle kommen, und insbesondere,
daß sie ernst genommen werden. Mancher hatte einen guten Gedanken und hat ihn
nichtachtend schnell vergessen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften