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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0253
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Die Idee der Universität [1946]

tionen jedermann zugänglich machen kann, auch nicht die materiell glückliche Lage,
daß der Mensch Gelegenheit zu allem möglichen hat und vielerlei nacheinander ver-
suchen kann. Es ist vielmehr die Substanz einer gehaltvollen Strenge und Zucht. Nicht
daß die Zugehörigkeit zu einer Familie als solche ein Wert sei, sondern sie wurde von
solchen Menschen als Verpflichtung empfunden. Soziologische Gehobenheit garan-
tiert dies durchaus nicht. In den gehobenen Schichten ist im letzten halben Jahrhun-
dert der Materialismus des Vielerlei, die Sucht nach allem, ohne daß das Erstrebte Ach-
tung einflößt, viel sichtbarer gewesen. Früher waren das protestantische Pfarrhaus, der
Adel, das Patriziertum der Herkunftsbereich vieler hervorragender Menschen. Solche
Erziehung läßt sich nicht »machen« und ausdenken.
Eine andere, allerdings schwer endgültig faßbare Tatsache ist die Eigenschaft des
Durchschnitts oder der Masse.53 Die Auslese findet jederzeit aus einer Masse statt, auch
eine soziologisch herrschende Schicht ist in ihrer Gesamtheit eine Masse. Die Urteile
über die Eigenschaften der Masse sind seit Jahrtausenden in erstaunlicher Einmütig-
keit sehr ungünstig. Was die Begabung angeht, so hält die Mehrzahl der Menschen sich
selbst für etwas vorzüglich Beanlagtes, und nur in Schwierigkeiten dient zur Entschul-
digung, man sei dazu nicht beanlagt. Ansprüche einerseits, Entschuldigung anderer-
seits hat man bezüglich des Geistigen bei der Mehrzahl zu erwarten. Die meisten wollen
über ihre Kräfte hinaus gelten und anerkannt sein. Sie wollen etwa die Welt von Grund
aus neu machen, meinen in ihrem unkritischen Denken, die Welt könne als Ganzes ge-
recht, harmonisch, glücklich sein. Statt sich selbst mit strenger Zucht wachsen zu las-
sen, ihre Sache zu tun, fliehen sie vor sich selbst und der Aufgabe und gehorchen ei-
ner Vorstellung, die sie Idee nennen, in der Ungeistigkeit kritikloser Ansprüche. - Es
101 gibt nicht nur eine Solidarität der Interessen einer Klasse, sondern | ein instinktives ge-
meinsames Interesse der durchschnittlich Beanlagten. Die Masse ist Feind des Überra-
genden;54 sofern sie im Bewußtsein eigener Unfähigkeit einen Führer in den Himmel
hebt, um durch ihn alles zu nivellieren, wird sie ihn ebenso leicht auch wieder verra-
ten. Die Gleichheit soll für die Instinkte des Durchschnitts auch die Geistigkeit und das
Können betreffen. Allerdings gibt es Menschen, die sich ihrer Mängel bewußt werden
und daraus Konsequenzen ziehen. Aber das ist gerade ein Zeichen des höheren Niveaus.
Wer die geistige Triebkraft hat, kann durch schlechte Werkzeuge gehemmt werden, aber
er darf, wenn sein Enthusiasmus nur echt ist und er opfern will, ihm folgen.
3. Die auswählenden Kräfte
Die Kräfte, die ohne jemandes Willen und Absicht die Auslese bestimmen und dadurch
über den Gang der menschlichen Dinge tatsächlich entscheiden, sind schwer über-
sehbar. Einige Beispiele:
Der »freie Wettkampf«, in dem »der Tüchtigste sich durchsetzt«, ist früher als die
natürlichste und günstigste Form der Auslese angenommen worden. Jedoch ist zu be-
 
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